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Schattenwandler 02. Gideon

Schattenwandler 02. Gideon

Titel: Schattenwandler 02. Gideon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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sich wieder von ihm löste. Es war nur eine beiläufige Wunde, die er im Handumdrehen hätte heilen lassen können. Aber er würde ihre Spur nicht auslöschen, das wussten sie beide.
    Schließlich trat sie zurück, schloss die Augen und stellte in Gedanken das Bild von seinem Haus nach. Schon Dutzende Male war sie als Gast in seinem Salon gewesen, immer in Begleitung von Noah. Gideons Bibliothek, seine Küche, selbst die Ländereien des abgeschiedenen Anwesens waren ihr wohlbekannt. Sie hätte ihn überall dorthin schicken können.
    Aber als sie begann, sich darauf zu konzentrieren, erschien vor ihrem geistigen Auge plötzlich das Bild eines dunklen, elegant eingerichteten Zimmers, das sie noch nie zuvor gesehen hatte. Schwarz getäfelte, mit Schnitzereien verzierte Wände, riesige Fenster mit aufwendigen Glasmalereien, durch die farbiges Licht den Raum erhellte, als wäre es voller Regenbogen. In der Mitte stand ein gewaltiges Bett. Die Farbe der Tagesdecke war im Spiel des Morgenlichts nicht zu erkennen. Sie spürte die Wärme der Sonne, die darauf wartete, einen müden Reisenden zu umhüllen, der im Schein ihres gedämpften Lichtes schlafen wollte. Es war ein wunderschöner Raum, und Legna wusste genau, dass es Gideons Schlafzimmer war und dass er das Bild davon mit ihr geteilt hatte. Wenn sie ihn dorthin sandte, wäre es das erste Mal, dass sie jemanden an einen Ort teleportierte, den sie selbst noch nie gesehen hatte. Die Fähigkeit, Bilder von Orten aus den Gedanken eines anderen zu übernehmen und ihn dorthin zu teleportieren, war den Älteren vorbehalten.
    „Du kannst das“, ermutigte er sie sanft und im festen Glauben an das, was er da sagte.
    Legna hielt seinen Blick noch einen Moment lang fest, dann schickte sie ihn mit einer Handbewegung und mit einem leise platzenden Geräusch in der Luft aus dem Raum. Voller Staunen atmete sie durch, denn sie wusste mit jeder Faser ihres Körpers, dass er schon eine Sekunde später sicher in seinem Schlafzimmer sein würde. Legna wandte sich um und warf einen Blick auf ihr eigenes Bett. Sie fragte sich, wie sie jemals Schlaf finden sollte.
    Nelissun a … geh zu Bett. Ich werde dir helfen zu schlafen.
    Gideons Stimme durchströmte sie, wärmte sie und tröstete sie auf eine Weise, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Es war die gleiche Verbindung, die Jacob und Isabella miteinander hatten. Für den Rest ihrer Zeit würden sie in die geheimsten Gedanken des anderen eingeweiht sein. Legna erkannte, dass er, da er mächtiger war, wahrscheinlich trotzdem Dinge vor ihr würde verbergen könne n – zumindest so lange, bis sie gelernt hatte, ihre neuen Fähigkeiten geschickter einzusetzen. Schließlich war sie ein Geistdämon.
    Sie zog ihre Schuhe aus und streifte das Kleid von den Schultern. Mit einem Rascheln glitt es zu Boden. Sie schloss die Augen und vermied es, in den Spiegel oder an sich hinunterzusehen, denn sie wusste, dass Gideon durch ihre Augen blickte und alles sah, was sie sah.
    Sein tiefes Lachen vibrierte in ihr und ließ ihre Haut prickeln.
    Also, du bist schüchtern und gleichzeitig küh n … , bemerkte er amüsiert, während sie schnell unter die Decke kroch. Du bist eine Quelle von Widersprüchen und Überraschungen, Legna. Mir tut sich eine neue Welt auf.
    Als wenn tausend Jahre zu leben nicht lang genug wäre , bemerkte sie.
    Oh nein. Ohne dich war es viel zu lang. Schlaf jetzt, Nelissuna.
    Und kaum war der Gedanke bei ihr angekommen, schlossen sich ihre Lider, sie waren plötzlich so schwer, dass sie sie nicht mehr offen halten konnte.
    Ihr letzter Gedanke, bevor sie einschlief, galt Isabella. Sie musste ihr sagen, dass sie vielleicht nicht recht hatte damit, was es bedeutete, jemandem zu haben, mit dem man seine Gedanken teilte.
    Als Legna aus ihrem tiefen, von Gideon herbeigeführten Schlaf wieder erwachte, war die Nacht schon längst hereingebrochen. Eine ganze Weile stand sie in ihrem dunklen Zimmer an die Fensterbank gelehnt, das Gesicht zum Sternenhimmel erhoben.
    Auf einmal kam ihr alles so unglaublich anders vor. Düfte, Geräusche, die Stille. Es fühlte sich alles greifbarer an, realer. Es war ein beeindruckendes Erlebnis für jemanden, der sein ganzes Leben lang stets tief unter die Oberfläche der Dinge geblickt hatte. Sie spürte, wie die kalte Nachtluft über ihre nackte Haut strich. Nackt dort zu stehen war ein erregendes Gefühl. Mit einem Lächeln ging sie zu ihrem Schrank, um sich etwas zum Anziehen auszusuchen.
    Legna

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