Schattenwandler 03. Elijah
bemerkte er, wie abgezehrt sie aussah und dass sie ihr Kind in den Armen wiegte, als sehnte sie sich verzweifelt nach dessen Wärme und nach dessen Zuneigung. Es war eine grauenvolle Aufgabe gewesen, und das unklare Ergebnis hatte seinen Tribut von Elijahs Freunden gefordert.
„Was für Vorahnungen waren das?“, zwang sich der König zu fragen.
„Es ging um Krieg. Um Leid. Sie sagte immer, dass überall Blut war. Aber auch wenn ich diese Informationen nicht gehabt hätte, hätte sie mir nicht zu sagen brauchen, dass etwas Schlimmes passieren wird oder schon passiert ist. Ich habe es selbst gespürt. Ich bin bloß froh, dass weder sie noch ich mit Sicherheit sagen können, ob er tot ist oder ob er noch lebt. Sie weiß nicht genau, ob er abberufen wurde. Kennt Ruth Elijahs Kraftnamen, Noah? Könnte es sein, dass sie ihn einem Nekromanten verraten hat und dass sie ihn abberufen und eingesperrt haben?“ Jacobs Hand ballte sich zur Faust. „Ich schwöre beim Leben meines Kindes, Noah … Wenn dieses verfluchte Weib mich dazu zwingt, Elijah zu töten, werde ich nicht eher ruhen, als bis ich ihr verdorbenes Herz in der Hand halte.“
Noah konnte den Zorn und die Angst des Vollstreckers verstehen. Wenn Elijah abberufen worden war, das Schlimmste, was einem Dämon widerfahren konnte, war er vielleicht schon in ein finsteres, seelenloses Monster verwandelt worden, das eine große Gefahr darstellte für jedes Wesen, das in seine Nähe kam.
Die Zauberer benutzten Pentagramme, denen sie magische Kräfte verliehen. Darin wurden die Dämonen gefangen, deren Kraftnamen sie herausgefunden hatten. Sobald ein Dämon erst einmal in einer solchen Falle saß, war es fast nicht mehr möglich, ihn zu retten. Es war Jacobs und Bellas schmerzliche Pflicht, diese Monster zu vernichten. Und wenn Elijah zu so einem Wesen geworden war, wäre der Schmerz für die Vollstrecker unermesslich groß, denn sie wären gezwungen, den Dämon zu töten, den sie als Paten für die Erziehung ihres Kindes auserwählt hatten.
Elijah bedeutete ihnen ebenso viel wie dem König und vielen anderen. Die Moral von Noahs Heer, das von Elijahs machtvoller Persönlichkeit geführt wurde, wäre nach einer solchen Tragödie nur schwer wieder aufzubauen. Der Verlust eines so mächtigen und klugen Dämons wie Elijah hätte verheerende Auswirkungen auf ihr ganzes Volk.
Noah hatte Kopfschmerzen, und er rieb sich die pochenden Schläfen. Die Anspannung, unter der er litt, seit er zum ersten Mal bemerkt hatte, dass etwas nicht stimmte, hatte sich an diesen beiden Punkten zusammengeballt. Da standen sie nun, die beiden Mächtigsten ihrer Art, und wussten nicht mehr weiter. Was für eine traurige Aussicht für die Zukunft unseres Volkes, dachte Noah in einem Anfall von Fatalismus verbittert.
Noah drängte seine Gefühle und seine Kopfschmerzen weg, als er Isabellas Energie näher kommen fühlte. Sie war ohnehin schon ausgelaugt und besorgt genug und sollte nicht auch noch mitansehen, wie er und Jacob sich geschlagen gaben. Natürlich konnte sie die Gedanken und Gefühle ihres Mannes ebenso mühelos lesen wie ihre eigenen, aber bei Noah war das etwas anderes. Von ihm wurde erwartet, dass er die Kraft seines Volkes repräsentierte.
Noah drehte sich lächelnd um und sah sie und ihr Baby an.
„Hallo, wie geht es meiner jüngsten Untertanin?“, fragte er.
„Sie hat Hunger, wie du ja schon bemerkt hast“, meinte Isabella lachend. „Ich muss sie stillen. Entspannt euch bei einem Drink und wartet, bis ich wieder da bin, bevor ihr das hier noch mal durchkaut. Ich bin auch dein Vollstrecker, Noah, und ich lasse nicht zu, dass du mich verhätschelst wie ein zerbrechliches Vögelchen. Ist das klar?“
Sie warf den Männern einen ernsten Blick zu, woraufhin beide folgsam nickten.
„Gut. Wenn wir Elijah finden, dann brauchst du mich sehr wahrscheinlich, damit ich …“
Bella brach ab. Ihr ganzes Gesicht wurde beängstigend grau, und ihr Blick wurde glasig. Jacob reagierte etwas schneller als Noah und fing ihren zu Boden sinkenden Körper mit einem Arm auf, während er versuchte, das Baby mit dem anderen Arm festzuhalten.
Sobald Isabella auf dem Boden lag, übergab Jacob Noah seine Tochter und beugte sich über seine Frau, um ihr den Puls zu fühlen und ihr über die klebrig nasse Haut zu streichen.
„Das ist zu viel für sie. Das alles passiert viel zu schnell nach der Geburt.“ Jacob biss sich auf die Lippen, als er bemerkte, dass eine weitere quälende Vision
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