Schattenwandler 04. Damien
denn, jemand kam nahe genug heran, um die Kette um ihren Hals zu sehen, die halb unter dem Gefieder versteckt war.
Als sie ein wenig ruhiger geworden war, konnte sie wieder klar denken und ihre empfindlichen Sinne benutzen, um das Beste aus ihrer Lage zu machen. Sie starrte in die Dunkelheit in Richtung der Spur des Vampirduos. Sie erhob sich von dem Ast in die Luft und glitt zwischen Schatten und Blättern hindurch, bis ihre Krallen einen anderen packten. Das Ganze war vollkommen geräuschlos vonstattengegangen, und der kahle Ast hatte sich unter ihrer sanften Landung kaum bewegt.
Ihre lautlosen Bewegungen ermöglichten es ihr, das unverwechselbare Geräusch von Flügeln zu hören, die sich durch die Luft bewegten. Ihr kleines Falkenherz schlug augenblicklich rascher, und mit ihren scharfen Augen spähte sie zwischen Bäumen und Zweigen in den Nachthimmel. Das Gleiten schwarzer Flügel im Mondlicht gehörte vielleicht zu den kostbarsten Anblicken in ihrem Leben.
Der Rabe stieß vom Himmel herab und kam mit beeindruckender Geschwindigkeit und merklich größerer Präzision auf sie zugeschossen. Sehr bald hätte er seine Fähigkeiten so verbessert, dass man ihn von einem Lykanthropen und einem Mistral, die alle zu einem Teil auch Vögel waren, nicht mehr würde unterscheiden können. Doch als er auf denselben Ast zuflog, auf dem sie saß, verriet das Flattern seiner Flügel ganz unverkennbar den unerfahrenen Vampir.
Er krächzte, und seine Flügelspitzen glitten wütend und vorwurfsvoll über ihren Schnabel und über ihre Augen. Sie schwang sich von dem Ast, und als sie auf dem Waldboden aufkam, hatte sie bereits wieder ihre menschliche Gestalt angenommen.
Damien verwandelte sich ebenfalls vom Raben in seine gewohnte Gestalt, und sie war erleichtert zu sehen, dass er unversehrt war.
„Bist du verrückt?“, schimpfte er.
„Dasselbe wollt ich dich gerade fragen! Was um alles in der Welt tust du hier, Damien?“
„Später“, bellte er und brachte sie mit einer schneidenden Handbewegung zum Schweigen. „Du bist zu nah an Ruth dran. Wenn ich dich spüren kann, kann sie es bestimmt auch. Du musst verschwinden, bevo r … “
„Bevor ich dabei zusehen muss, wie sie dir das Genick bricht?“, unterbrach sie ihn scharf. „Bevor ich völlig die Beherrschung verliere und dich an ihrer Stelle umbringe?“
„Dafür ist hier weder der richtige Ort noch die richtige Zeit, Syreena!“
„Das sehe ich genauso! Aber wenn du dir wirklich mit mir einig wärst darüber, wärst du nicht hierhergekommen, wo wir doch noch darüber gesprochen hatten, dass es dumm und vermessen wäre, sie zu verfolgen!“
„Ich bin nur hier, um herauszufinden, wer von unseren Leuten der Verräter ist. Ich habe nicht vor, mich mit Ruth auf einen Kampf einzulassen, aber wenn du jetzt nicht verschwindest, bin ich womöglich gezwungen, genau das zu tun!“
„Was fällt dir ein, die Schuld auf mich zu schieben! Du hast mir etwas versprochen, Damien, und ich muss leider feststellen, dass du es nicht gehalten hast. Du bist ein Lügner und ein rücksichtsloser Mistkerl!“
„Bring sie zum Schweigen, Damien, oder ich tue es selbst!“
Die fauchende weibliche Stimme aus der Dunkelheit war Syreena nur allzu vertraut, und sie errötete vor Zorn. Ihre kleinen Hände ballten sich zu Fäusten, und ihre Zähne knirschten, als sie die Kiefer aufeinanderpresste. Ihre gesprenkelten Augen flackerten vor unterdrückter Wut, während Damiens frostiger Blick scheinbar teilnahmslos auf ihr ruhte.
„Ich bin es nicht gewohnt, jemandem über meine Handlungen Rechenschaft abzulegen, als wäre ich ein Kind, Syreena, und es tut mir leid, wenn dich das ärgert, aber wie ich schon mehrmals gesagt habe, ist das nicht der richtige Zeitpunkt, um sich darüber zu streiten.“
„Einverstanden“, sagte sie. „Dann geh ruhig und schleich hier auf diesem gefährlichen Gelände mit dieser gefährlichen Frau herum, wenn es dir beliebt, aber wenn du glaubst, ich warte wie ein zahmes Haustier darauf, dass du zurückkommst, dann hast du dich geschnitten!“
Syreena wollte an ihm vorbeigehen, doch er packte sie am Oberarm und zwang sie, sich umzudrehen.
„Denk nach, bevor du etwas Überstürztes tust, Syreena!“, warnte er sie mit einem scharfen Flüstern.
„Oh, du meinst, so wie du es getan hast?“, entgegnete sie. „Tu, was ich sage, und nicht, was ich tue? Wofür hältst du mich, Damien? Für ein kleines Kind? Für einen Welpen, den man abrichten muss, damit er
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