Schattenwandler: Adam (German Edition)
die Auswirkungen seines Tuns nur in Bezug auf sich selbst und auf seine Gesetze bedacht und dahingehend, wie die anderen aus seinem Volk ihn deswegen anschauen würden.
Es war unter seiner Würde. Sie hatte ihm gegenüber nie feindselig reagiert, sie hatte ihm nie einen Grund gegeben, so respektlos zu sein. Selbst ein Feind verdiente ein gewisses Maß an Respekt. Die Männer unter den Menschen hatten sich zu seiner Zeit oft aufgeführt wie Wilde, indem sie nichtkämpfenden Frauen ihre Würde geraubt hatten, etwas, was auf einem Kriegsschauplatz nichts zu suchen hatte. Und es hatte ihn angewidert.
Er sollte von sich selbst genauso angewidert sein.
»Warte.«
Er berührte sie nicht, zwang ihr seinen Willen nicht auf. Er hätte es gern getan, und irgendwie verstand er auch, dass sie seine Dominanz und seine natürliche Aggression mochte, doch Körperlichkeit war das eine, Persönlichkeit war das andere … und Respekt etwas völlig anderes. Letzteres hatte er ihr nicht bezeugt, und das wollte er gern wiedergutmachen.
»Warte bitte«, bat er sie.
Vielleicht war es das »Bitte«, das sie überraschte. Sie sah jedenfalls überrascht aus, als sie sich zu ihm umdrehte. Ihre Reaktion führte nur dazu, dass er sich noch schlechter fühlte.
»Ich glaube, ich muss … mich entschuldigen.« Es war nicht leicht, das zu sagen.
Er war es nicht gewohnt, sein Tun zu rechtfertigen. Und schon gar nicht, seine Fehler gegenüber anderen zuzugeben. »Es war nie meine Absicht gewesen, dich zu verletzen. Egal, ob du dich stark oder ganz schwach fühlst, das entschuldigt gedankenloses Verhalten nicht.«
Jasmine verstand ihre Gefühle nicht recht, schon gar nicht, was ihn betraf. Sie wusste auch nicht, weshalb sie so wütend auf ihn war. Doch das hieß nicht, dass sie nicht beurteilen konnte, was es für ihn bedeutete, mit sich selbst so streng ins Gericht zu gehen und ihr gegenüber sogar Schwächen zuzugeben. Sie mochte ein kaltherziges, abgebrühtes Luder sein, doch sie konnte eine großzügige Geste immer noch erkennen. Vor allem, wenn sie nicht damit rechnete. Und schon gar nicht, weil sie es normalerweise nicht verdiente.
Sie seufzte.
»Ich verdiene eigentlich keine Entschuldigung«, gestand sie. »Ich habe dich ganz schön provoziert.« Sie zuckte die Schultern und wischte die ganze Angelegenheit beiseite, indem sie sich umdrehte. »Konzentrieren wir uns auf Ruth. Ich denke, es geht uns beiden besser, wenn wir sie endlich aufspüren.«
Und so wurde das Thema fallen gelassen … vorerst jedenfalls. Sie waren beide froh und brannten darauf, ihre Aufmerksamkeit auf einen Feind zu richten, der ihre Gegnerschaft wirklich verdiente. Ihr Leben war irgendwie durcheinandergeraten wegen dieser Verräterin. Es war höchste Zeit, dass sie für ihre Verbrechen bezahlte.
8
Windsong war es zufrieden, ihr ganzes Leben in ihrem kleinen Dorf zu verbringen. Noch glücklicher machte es sie, wenn sie auf ihrem Grundstück und in ihrem Kräutergarten und innerhalb der vier Wände ihrer schlichten, aber gemütlichen Hütte sein konnte. Anders als die meisten aus ihrem Volk war sie in ihrem Leben viel herumgekommen. Sie war, wenn auch nur kurz, an sämtlichen Schattenwandlerhöfen gewesen, hatte mit ihrem Rat oder mit ihrem umfassenden Heilerinnenwissen geholfen, wo sie konnte. Sie zählte die derzeitigen Oberhäupter anderer Schattenbewohner zu ihren besten Freunden. Damien. Siena. Und in den letzten Jahren auch Noah. Sie freute sich sogar darauf, sich mit den Kanzlern der Schattenwandler anzufreunden. Sie hatte Tristan und Malaya mehr als einmal getroffen, als die Schattenwandler sich bemühten, den herrschenden Frieden durch Treffen und Gespräche zu erhalten.
Die Mistrale, Windsongs Volk, hatten keine Regierung. Es war nie wirklich nötig gewesen. Es gab ein oder zwei Dorfälteste, die für ein einzelnes Dorf sprachen, und manchmal arbeiteten die Älteren bei wichtigen Angelegenheiten der Mistrale zusammen. Doch das kam nur selten vor. Als es also darum gegangen war, Botschafter an die verschiedenen Schattenwandlerhöfe zu schicken, war es nur logisch gewesen, dass die erfahrensten und wichtigsten Dorfältesten die fremden Botschafter bei sich zu Hause aufnahmen.
Aus diesem Grund hatte Windsong schließlich nicht nur ihre Schülerin Lyric bei sich aufgenommen, sondern auch eine bemerkenswerte kleine Vampirin namens Izri. Von allen Schattenwandlern waren die Vampire gegen die Zaubersprüche und die Stimmen und das Singen der Mistrale am
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