Schattenwandler: Kane (German Edition)
ab.
Corinne wandte den Blick entschlossen von seinem Hosenschlitz ab und untersuchte die Eisenbänder, die sich um seine Fußknöchel schlossen. Mutig schob sie mit einem Finger den Saum eines Hosenbeins ein Stück hoch und stellte fest, dass die Bänder ihm fast bis zu den Waden reichten. Vorsichtig spähte sie über den Bettrand. Wie bei den Handfesseln endeten auch die Ketten an seinen Füßen direkt im Steinfußboden, allerdings waren es jeweils zwei, als würde eine einzelne Fessel pro Bein bei ihm nicht ausreichen.
Also nein, auf so etwas hätte sie sich sicher nie eingelassen, und nach dem Blut auf den Handfesseln und an seiner Hose zu urteilen, hatte er ebenfalls nicht freiwillig mitgespielt. Man hatte ihn an die Leine gelegt wie ein wildes Tier.
Corinne widerstand dem Drang, das Gesicht des Mannes zu streicheln. Seine Gesichtsmuskeln zuckten nervös, und seine Miene war angespannt, als würde er selbst im tiefen Schlaf gegen seine Gefangenschaft ankämpfen.
Was, wenn er gefährlich war?
Was, wenn man sie entführt und in einer Art Löwengrube abgeladen hatte? War er vielleicht ein irrer Mörder und sie Hannibal Lecters rothaariges Appetithäppchen?
Plötzlich leuchteten kühne blaue Augen auf in dem Gesicht, das sie so verbissen anstarrte, und sie schrie auf vor Schreck und Überraschung. Schnell wickelte sie die Bettdecke um sich und wich ans Fußende zurück. Als sie hastig versuchte, von dem riesenhaften Bett zu klettern, spürte sie mit einem Mal eine seltsame Schwäche in ihren Gliedern, und ihr Reaktionsvermögen schien sich stark zu verlangsamen.
Corinne! Halt!
Eine tiefe, klangvolle Stimme hallte in ihrem Kopf wider, und Corinne schrie erneut auf. Übermannt von Panik und Verwirrung, erstarrte sie in ihrer knienden Haltung auf der Matratze. Sie hatte ihn nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen, und sie wusste mit Sicherheit, dass sich seine Lippen nicht bewegt hatten. Ängstlich suchte sie das Zimmer ab, um zu sehen, woher die Stimme kam. Es musste irgendetwas sein … etwas anderes, als sie dachte. Sie hielt Ausschau nach einem Lautsprecher oder irgendeinem anderen Gerät, doch sie konnte nichts entdecken. Gar nichts.
Seine klaren blauen Augen zogen sie wieder in ihren Bann. Er wand sich in den Ketten, und Corinne begann zu zittern.
Hab keine Angst vor mir, Corinne.
Wieder blieb Corinne der Mund offen stehen. Seine verführerischen Lippen hatten sich keinen Millimeter bewegt, doch an seinem flehenden Blick konnte sie erkennen, dass er es war, der diese Bitte an sie gerichtet hatte. Sie verharrte regungslos auf der Stelle, bereit zur Flucht, und kämpfte gegen die wachsende Verwirrung an. Bestimmt hatte sie den Verstand verloren. Hatte man ihr vielleicht Drogen in den Drink getan?
„Was geht hier vor, verdammt noch mal?“, fragte sie grimmig.
Daraufhin hatte der gefesselte Kerl doch tatsächlich die Frechheit, sie anzugrinsen, und wahrscheinlich aus Lebenserfahrung wusste sie sofort, dass es ein herablassendes Grinsen war, nach dem Motto, „Hach, was für ein süßer temperamentvoller Rotschopf“. Schnell musterte sie ihn, ebenfalls verächtlich, von oben bis unten, doch da wanderte ihr Blick an seinem Hosenbund hinunter, und sie stellte fest, dass er …
Ach du liebe Güte! Keuchend stellte sie fest, dass er sehr – sehr – erregt war. Lieber Gott, bitte mach, dass das da in seiner Hose ein voll ausgebildeter Ständer ist, denn wenn nicht, dann müsste ich eventuell hierbleiben und eine Weile darüber nachdenken.
Der gefesselte Supertyp warf den Kopf zurück und brach in lautes, tiefes Lachen aus, das durch das ganze Zimmer hallte. Da hier alles aus rohem Stein und Beton zu sein schien, fiel das Echo recht laut aus, doch das fand Corinne weit weniger verwirrend als die Tatsache, dass er offenbar ihre Gedanken gehört hatte.
Er hat meine Gedanken gehört!
Er war also tatsächlich in ihrem Kopf!
Oh nein , dachte sie voller Entsetzen. Niemand wusste, was in ihrem Kopf vorging. Nicht einmal ihre Schwester Isabella. Sie führte gern stumme Selbstgespräche und ließ sie nur in zensierter Form nach außen dringen. Das hatte sie sich im College angewöhnt, weil ihre spitze Zunge sie oft in Schwierigkeiten gebracht hatte – aus gutem Grund, wie dieser Typ bald feststellen würde, falls er denn wirklich in ihrem Kopf herumspuken sollte.
Ja, Corinne, ich kann tatsächlich deine Gedanken lesen, und eines Tages wirst du in der Lage sein, auch meine zu lesen.
„Einen Scheiß werde
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