Schattenwelten
belangloses Gespräch aufzunehmen.
Nach und nach begab man sich zu Tisch, Meldis blieb bei ihrer Familie und Tessa blieb bei Meldis. Sie saß mit den anderen Sklaven am Ende des Tisches. Man stellte ihnen Schüsseln mit Brei und Fladenbroten hin, von dem reichlich aufgetischten Wildschwein und dem Met bekamen sie nichts.
Der Einzug von Ole Tanstrøm, dem hiesigen Jarl, und seines Gastes wurde mit Trommelschlägen und wilden Pfeifenklängen angekündigt. Gemeinsam mit seiner Frau bezog er den Platz auf dem Podium und rückte dem Landaujarl, der mit zwei seiner Gefolgsmänner neben ihm stand, eigenhändig den Sessel zurecht. Sofort wurden versilberte Trinkhörner aufgetragen, und mit schäumendem Bier gefüllt.
„ Auf den Landaujarl, unseren Freund und Verbündeten im Süden. Mögen wir gemeinsam Ruhm und Ehre erkämpfen. Zu Thors Gefallen und dem Gefallen unseres guten Königs Harald.“ Der Tanstrømjarl prostete seinem Gast zu und die Menge applaudierte begeistert.
„ Ruhm und Ehre für Thor und König Harald“, brüllten die Männer zurück.
Tessa, die für Betrunkene noch nie etwas übrig gehabt hatte, begann sich langsam, aber sicher unwohl zu fühlen. Vage erinnerte sie sich an Beschreibungen von Wikinger-Orgien, in denen weibliche Sklavinnen fester Bestandteil des Unterhaltungsprogramms gewesen waren. Und das nicht immer freiwillig. Zwar befanden sich unter den Anwesenden auch zahlreiche Frauen und Kinder, aber wer wusste schon, wie das Fest weitergehen würde, sobald sich diese zurückgezogen hatten. Unauffällig begann sie sich nach einer Fluchtmöglichkeit umzusehen und vermied es im Gegensatz zu ihren unmittelbaren Tischnachbarinnen, dem Bier allzu sehr zuzusprechen.
Vielleicht konnte sie sich in einem der Ställe verbergen, ehe es zum Äußersten kam. Oder machte sie sich etwa völlig umsonst Sorgen, weil sie Meldis’ persönliche Sklavin und damit unberührbar war? Aber wollte sie es darauf ankommen lassen?
Sie wollte nicht. Als sie den Zeitpunkt für gekommen hielt, stand sie auf und schlenderte zu den Häusern. Dabei überzeugte sie sich unauffällig, dass ihr niemand folgte. Der Platz der Feier wurde zwar mit Fackeln beleuchtet, aber an den Hauswänden gab es nur hie und da eine Talgfunzel unter einem Glassturz. Tessa tastete sich vorwärts. Die Situation machte ihr Angst, und sie spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte. Sklaven hatten keine Rechte. Sie waren ein Ding, ein Besitzstück, nichts weiter. Arne würde sich nicht darum kümmern, wenn jemand sie schlug oder vergewaltigte. Nur wenn ihre Arbeitskraft darunter litt, konnte er Schadenersatz verlangen, weil sein Besitz beschädigt worden war. Sie selbst als Individuum zählte nichts. Auf jeden Fall aber weniger als ein Pferd oder ein Schwein. Und nachdem es nicht danach aussah, als würde sie innerhalb der nächsten Minuten zurück in ihre Zeit gelangen, war Vorsicht durchaus angebracht.
Der Lärm vom Festplatz wurde leiser. Tessa stieß eine Tür auf, die unter dem Druck ihrer Hände nachgab. Im Inneren war es warm und dunkel und es stank nach Vieh. Erleichtert wollte sie hineinhuschen, aber jemand packte sie am Handgelenk und hielt sie fest. „Wohin des Weges, du freches Ding?“
...
Der geheimnisvolle Ring
Marie Andrevsky
Sophie wird von der Baronin Weißenfeld an Kindesstatt angenommen und gemeinsam mit deren leiblicher Tochter Luise aufgezogen Neunzehn Jahre später ist das Gut verarmt. Das Angebot der Kaiserin Maria Theresia, die ihr Patenkind Luise nach Wien beordert , da sie für den Grafen Karlesky, einen stadtbekannten Bonvivant, eine Frau sucht, erweckt Hoffnung auf einen Ausweg aus der finanziellen Misere. Luise brennt jedoch mit einem italienischen Maler durch und Sophie fährt an ihrer Stelle nach Wien. Ein Ring mit einem Drachen, das einzige Vermächtnis ihrer Mutter, macht sie zum Mittelpunkt eines teuflischen Ränkespiels.
Erhältlich als Ebook & Kindle Edition
Leseprobe:
Sophie und Luise kamen gerade von einem solchen Treffen zurück, als ihnen die Baronin aufgeregt entgegenlief. Das war dermaßen ungewöhnlich, dass Sophie im ersten Moment glaubte, die heimlichen Rendezvous wären aufgeflogen.
„ Kinder, schnell, bringt die Pferde in den Stall, es gibt Neuigkeiten“, rief Annette von Weißenstein atemlos und fächelte sich mit einem Stück Papier Luft zu. „Auch du, Friedrich.“
Der Baron überquerte gerade den Hof und runzelte ebenfalls die Stirn, als er seine aufgeregte Frau
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