Schattenwende
jemanden geben, der diese bis ins Detail kennt, alles über sie weiß und folglich Wege finden kann, Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Stellen Sie sich mal vor, was geschehen würde, wenn sich eine gewisse Selbstständigkeitentfalten würde. Undenkbar, was das für Konsequenzen nach sich ziehen würde. Daher möchte ich, dass Sie Mr. Smith in unser kleines Geheimnis einweihen und ihm meine dringlichste Bitte übersenden, es für sich zu behalten. Täte er dies nämlich nicht, würde es ihm nicht besser ergehen als unserem Freund hier.“
Er deutete auf die Boxen, die an Jones’ Laptop angeschlossen waren, und nun leise vor sich hin rauschten.
„Schade, dass solch eine eingepflanzte Wanze mit dem Ableben seines Trägers den Geist aufgibt. Mich hätte doch das nachfolgende Gespräch der Blutsauger sehr interessiert.“
Seine Miene wurde überheblich, berechnend.
„Dennoch, trotz aller Wehmut, die Überraschung in den Gesichtern dieser Viecher wird alles wettmachen, was es an Aufwand gekostet hat, dieses Projekt in Gang zu setzen. Und nicht mehr lange, dann ist die Menschheit von dieser Seuche befreit und wird es mir auf Knien danken.“
Jones nickte langsam und zustimmend.
„Ja, Herr. Es wird auch Zeit. Tausend Jahre haben diese Parasiten sich von uns ernährt. Es wird Zeit, sie dahin zu befördern, wo sie hin gehören – direkt in die Hölle.“
Reagan wusste nicht, woher diese alles verzehrende, eisige Wut kam. Während er durch die unteren Gänge des Hauses schlich, atmete er tief ein, versuchte vergebens, seinen sengenden Zorn unter Kontrolle zu bekommen.
Sein Herz raste, jeder Muskel war krampfhaft gespannt und seine Fänge kratzten in Kampfesdurst über sein Zahnfleisch.
Sicher, das Gespräch mit dem Gefangenen war ein Reinfall gewesen. Der Jammerlappen war unter seinen Fingern weggestorben, nachdem er sich bepisst und den ganzen Boden versaut hatte. Und das bevor er wirklich hatte loslegen können. Aber so waren diese Dreckskerle der Solems immer: Machthungrig, brutal und pervers, aber einstecken konnten sie nichts.
Solche Misserfolge hatten sie oft. Er war daran gewöhnt und wäre aus diesem Grunde allein niemals so ausfallend geworden. Immerhin hatte ereine wehrlose Frau geschlagen. Er brüllte unwillig auf. Er hatte Daphne wirklich geschlagen. Nicht mit Absicht, aber er hatte es getan.
Doch als er gehört hatte, wie sie nach Hause gehen, ihn verlassen wollte, war eine Sicherung in ihm durchgebrannt.
Er konnte sich nicht erklären, warum. Der Grund war ihm auch scheißegal. Er wollte diese Frau in seinem Haus, in seinem Schlafzimmer und in seinem Bett haben. Er wollte sie neben sich wissen, wenn er morgens einschlief und wenn er abends aufwachte. Und er wollte sie in der Zeit dazwischen überall spüren.
Reagan stieß einen wilden Fluch aus, als er weiter ausholte, die Tür zum Trainingsraum aufstieß und sie hinter sich mit einem lauten Scheppern zufallen ließ.
Schwer atmend ließ er sich auf einer Übungsbank nieder.
Hunger, kaum bezähmbarer Hunger stieg ihn ihm auf. Er hatte ihn erst vor kurzer Zeit gestillt, doch die verfahrene Situation mit Daphne und das Rätsel um die wenigen Worte des Solems fraßen seine Energie viel zu schnell auf. Er würde heute losziehen und sich jemanden suchen müssen. Am besten eine Frau mit kurzen, blonden Haaren, die Daphne überhaupt nicht ähnlich sah.
Der Vampir ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, seinen in kurzen Stößen gehenden Atem zu verlangsamen. Vermutlich war es am besten, wenn Daphne zu ihrer Schwester zurückkehrte. Dort gehörte sie eher hin als zu ihm und seinen Kriegern. Von Geburt wegen gehörte sie an die Seite eines Vampirs, aber vielleicht war er zu egoistisch, wenn er derjenige zu sein wünschte. Teil der Shadowfall zu sein bedeutete Gefahr. Große Gefahr. Sie sollte am besten ein Leben mit einem Vampir führen, der nicht so sehr in der Schusslinie stand wie er. Sie war viel zu zart, viel zu gebrechlich, um es mit dem Leben in der Gemeinschaft aufnehmen zu können. Er würde Dwight bitten – notfalls zwingen, falls er sich auflehnen sollte! – sich ihrer Gabe anzunehmen und ihr zu zeigen, wie sie diese beherrschen konnte, ohne selbst Schaden davonzutragen.
Reagan fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und wischte sich ungeduldig die Schweißperlen von der Stirn, die sich dort gebildet hatten.
Was war das alles für eine verfluchte Scheiße.
Er hatte nicht den geringsten Schimmer, was dieses Arschloch von Solem ihm
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