Schattenwende
meine Freundin?“, krächzte er mit angestrengt flatternden Augenlidern.
„Nebenan“, lautete die knappe Antwort, die sein Herz vor Angst schneller schlagen ließ.
Die Frau runzelte verärgert die Stirn.
„Ich habe gesagt, du sollst dich nicht anstrengen, Vampir!“, zischte sie ungehalten.
„Ich will meine Freundin sehen“, beharrte er, auch wenn seine Kehle so trocken war, dass jedes einzelne Wort ihm nur schwer über die Lippen kam. „Du wirst sie schon noch früh genug wiedersehen, Blutsauger“, erwiderte sie verächtlich und zog so flink, dass er es beinahe übersehen hätte, eine Spritze aus der Tasche ihres Kittels.
Seine Augen flackerten ängstlich und er zuckte kaum merklich zurück. „Was ist das? Was tun Sie da?“, presste er hervor, als sie sich ihm näherte und einen Knopf drückte, der sich seitlich am Rand der Liege befand.
Seine Arme und Beine wurden von breiten Gurten, die plötzlich aus der Liege schossen und sich ineinander verhakten, gehalten und an die Liege gefesselt.
Er spannte sofort seine Muskeln an, wollte fliehen oder sie angreifen, aber er konnte keine einzige Bewegung ausführen.
„Du solltest dich an das halten, was man dir befiehlt“, erwiderte die Frau kalt und drückte leicht auf die Spritze, sodass ein paar winzige Tröpfchen aus dem Kolben gepresst wurden und die Nadel entlang zu Boden rannen..
Panik strömte wellenartig durch seinen Körper und lähmte ihn.
„Wer sind Sie?“, flüsterte er mit weit aufgerissenen Augen.
Sie beugte sich über ihn und packte seinen Oberarm.
„Noch bin ich Niamh, die Ärztin, die euch Blutsaugern Blut abzapft. Aber irgendwann, sogar sehr bald schon, werde ich ein Teil des Ganzen sein, das euch vernichtet.“
Niamh lächelte und er konnte in ihren Augen den Hass lodern sehen, ehe sie ihm brutal die Nadel in den Arm rammte und er sogleich in die Bewusstlosigkeit hinabgezogen wurde.
Ria schrie das ganze Haus zusammen, bevor das eigene Schreien sie aus ihrer Vision riss. Das Kleid klebte auf ihrer Haut, die von einem Schweißfilm überzogen war. Jeder Muskel tat ihr weh, als sie sich aus ihrer zusammengekauerten Haltung aufrichtete und ihre Finger, die sich in den Küchentisch gekrallt hatten, steif von der Platte löste.
Sie holte rasselnd Luft und versuchte, Kontrolle über ihren zitternden Körper zu erlangen. Zwei zierliche Arme legten sich um ihre Schultern und sanfte, kühle Finger strichen ihr das feuchte Lockengewirr ihrer roten Haare aus der Stirn.
„Alles okay, Ria?“, fragte Daphne sanft, ihre Stimme klang ehrlich besorgt.
„Ja“, antwortete sie und lächelte schwach.
Daphne ging neben ihr in die Knie und betrachtete sie sorgenvoll, aber Ria legte ihre Hände auf Daphnes und bemühte sich, sie anzulächeln.
„Es ist wirklich alles okay. Das war nur eine Vision. Damit komme ich zurecht, schließlich ist die Gabe des Vorhersehens meine Gabe. Sie war bis jetzt nicht wirklich ausgeprägt, mittlerweile scheint sie sich aber endlich zu entwickeln.“
Obwohl Rias Stimme zitterte, schwang Erleichterung und eine Art Freude darin mit, die Daphne nicht so recht begreifen konnte.
„Was hast du denn gesehen?“, erkundigte sie sich behutsam.
Rias Miene verfinsterte sich und eine steile Falte bildete sich zwischen ihren zart geschwungenen Augenbrauen, als dächte sie konzentriert nach.
„Da war ein riesiger Raum. Mit grünen Fliesen …“, begann sie zu erzählen, doch genau in diesem Moment wurde die Küchentür mit einem ohrenbetäubendem Scheppern aufgestoßen.
Was danach passierte, konnte Daphne anschließend nicht mehr nachvollziehen. Ein Schatten, ein Luftzug, und sie fand sich von einem stahlharten Körper an die Wand gepresst wieder, so fest, dass sie kaum Luft bekam.
Zornentbrannte Augen starrten sie wild an und das dunkle Grollen, das sich der Kehle des Vampirs entrang, klang drohend. Die Reißzähne waren ausgefahren und warnend gefletscht, nur noch Millimeter von ihrer empfindlichen Haut entfernt.
„Damir, lass sie sofort los!“, fuhr Ria scharf dazwischen und der harte Griff des Vampirs lockerte sich ein wenig. Vermutlich würden seine Finger Blutergüsse auf ihren Armen hinterlassen, so fest hatte er sie umklammert.
„Ich habe dich schreien gehört“, erwiderte er tonlos, ohne Daphne loszulassen oder den Blick von ihr abzuwenden. Seine Stimme war tief und weich. Irgendwie angenehm, auch wenn sie in starkem Kontrast zu seinem Aussehen stand, das wie das der übrigen Brüder der Gemeinschaft
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