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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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Annäherungsversuche heute zurückgewiesen? Aber hatte sie nicht gestern Abend noch gesagt, dass sie das Geld wirklich dringend brauchte? Oder war auch das gelogen gewesen?
    Kopfschüttelnd verwarf ich all diese Gedanken wieder. Vermutlich war der geheimnisvolle Anrufer ganz einfach ihr geliebter Angelo Fabiani gewesen, der sie zurückhaben wollte.
    »Tatsache ist, dass sie vorher noch mein Zimmer durchwühlt hat«, stieß ich hervor.
    Mein Gastgeber betrachtete mich verwirrt. »Sie hat … was?«
    Mit brennenden Wangen, die mir verrieten, wie rot ich vor Wut sein musste, schilderte ich ihm, wie ich mein Zimmer vorgefunden hatte. Und fragte mich jetzt zum ersten Mal, was sie da überhaupt gesucht haben könnte. Herr Nachtmann legte den Arm um mich und drückte meine Schultern.
    »Das tut mir sehr leid!«, sagte er leise. »Vielleicht hat sie uns belauscht und von der Erfindung Ihres Vaters gehört. Und womöglich hat sie auf schnelles Geld gehofft – nachdem sie auf meins verzichtet hat, weil die Aufgabe sie überforderte. Dass sie so etwas tut, hätte ich ihr nie zugetraut! Wenn sie Ihr Eigentum beschädigt oder sogar diese Formel gefunden hat …«
    »Die Formel hat sie nicht«, sagte ich und gleichzeitig fragte ich mich, woher ich das wissen wollte. Aber wenn ich selbst sie nicht gefunden hatte – wie hätte sie das in wenigen Minuten schaffen sollen?
    »Trotzdem …«, sagte Ruben mit gerunzelter Stirn. »Ich kann gern bei ihr zu Hause anrufen und mit den Eltern sprechen. Sie sollen Ihnen zumindest ersetzen, was sie beschädigt hat!«
    Ich schüttelte den Kopf. Damit war mir nicht geholfen.

    Meine Wut flackerte nur noch auf Sparflamme, stattdessen spürte ich eine unendliche Verlassenheit, als ich mein Zimmer weiter aufräumte. Das hier waren die letzten Überbleibsel meines alten Lebens. Und für einen kurzen Moment, neulich in ihrem Zimmer, hatte ich Anna für eine Freundin gehalten.
    Sehr vorsichtig nahm ich das Bild mit den Schlittschuhläufern noch mal in die Hand. Paps hatte es mir mitRahmen geschenkt, sodass ich den Rand noch nie gesehen hatte. Er sah ein bisschen verwischt aus und an einer Stelle konnte ich eine Schrift erkennen. Was war das?
    Kira im Regenwald, stand da. Seltsamer Titel für ein Schneebild! Und seit wann schrieb er die Titel seiner Bilder seitlich an den Rand?
    Ich betrachtete das Gemälde genauer. Vaters feiner Pinsel hatte versucht, mein Gesicht und das meiner Freunde möglichst gut zu treffen – auch wenn Paps kein genialer Maler war. Als ich die anderen Kindergesichter ansah, spürte ich die Sehnsucht nach diesen glücklichen Zeiten. Unbändige Freiheit, viel Fantasie und jeden Tag ein neues Abenteuer. Mein Vater hatte mir diese Freiheit gelassen, obwohl er meine Begeisterung nicht wirklich verstand.
    Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich im Bett sitzend an die Wand und gab mich den Erinnerungen hin. Die Dschungel-Piraten. Wald. Regenwald. Wald – Regenwald? Da war doch etwas! Plötzlich war ich wieder neun Jahre alt. Wir Kinder zogen mit Taschen und Kästen in den Wald, zu unserem Geheimplatz, einer Art Hütte, die wir im Unterholz gebaut hatten. Dort stellten wir eine Staffelei auf, die ich von meinem Vater »geliehen« hatte, und malten mit unseren Tuschkästen die Natur um uns herum, wie wir sie sahen. Pirateninseln, den Sherwood Forest und versunkene Städte – das war unsere Realität. Plötzlich mussten wir los, weil ein Unwetter über uns hereinbrach. Also rannten wir mit unserem Material unter dem Arm nach Hause.
    Paps war zuerst wütend wegen der Staffelei, die wir mitgenommen hatten, aber dann nahm er mich in den Arm und war einfach erleichtert, dass ich wieder zu Hause war.Ich erzählte ihm, was wir mit der Staffelei gemacht hatten, und tatsächlich wollte er meine Fantasielandschaften gern sehen. Ich zog die Bilder aus der Tasche, doch sie waren vom Regen völlig zerlaufen. Meine versunkenen Städte waren nur noch Blätter voll tränender Farben. Frustriert fing ich an zu weinen. Aber Paps meinte, die Bilder seien eben expressionistisch. Für ihn wäre das ab heute die Serie »Kira im Regenwald«. Dann haben wir beide darüber gelacht.
    Mit einem Mal fuhr ich hoch und sprang aus dem Bett. Der Titel war ein Hinweis! Ich hatte das Bild einfach so im Rahmen entgegengenommen. Nicht mit den Augen eines Restaurators, sondern mit den Augen einer Tochter. Aber zusammen mit diesem anderen Hinweis … Hastig durchwühlte ich den Stapel der Notizbücher, fand das richtige

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