Schattenwesen
und las den letzten Absatz noch einmal:
Ich habe es versteckt, wo ich es sicher glaubte. Aber nichts ist sicher. Folge deiner Neugier und mit deinen Freunden wirst du den Schatz finden!
Jetzt war ich fast sicher, was er gemeint haben könnte – wenn ich nicht langsam durchdrehte! Und ich hatte eine Ahnung, wo der Schatz versteckt war!
Im Bad nahm ich einen Schwamm und befeuchtete ihn gut, aber so, dass er nicht zu nass war. Der nächste Schritt tat weh: Ich wischte damit über das Schlittschuhläuferbild und sah zu, wie ich das letzte Geschenk meines Vaters zerstörte. Tatsächlich verlief die Farbe – es handelte sich um Leimfarbe. Nie hatte ich auf die Technik und das Material geachtet, sondern nur auf das Motiv.Hoffentlich würde sich die Aktion lohnen! Hoffentlich würde mir mehr bleiben als eine nasse, verschmutzte Leinwand!
Der Schwamm strich über die Farbe, verteilte sie und machte es schwer, darunter etwas zu erkennen. Aber mit jedem Wischen wurde deutlicher, was ich kaum zu hoffen wagte: Unter dem Bild erschien eine Schrift, mit einem schmalen Pinsel in schwarzer Ölfarbe akkurat gemalt! Und als die Kinder auf dem See endgültig und unwiederbringlich verschwunden waren, konnte ich sie lesen: die Formel für das schwärzeste Schwarz der Welt!
Trotz all der Aufregung war ich schon bald todmüde. Oder gerade deshalb. So viele Dinge waren in den letzten Tagen passiert, und ich wusste einfach nicht, was ich nun mit dieser verdammten Formel anfangen sollte. Eins beruhigte mich immerhin: Anna konnte sie dort nicht gefunden haben. Aber jetzt lag sie offen und ich konnte nicht ständig die ganze Leinwand mit mir herumtragen. Wo versteckte ich sie am besten? Kurzerhand stand ich noch einmal auf, setzte mich an den Schreibtisch und schrieb alles genauestens ab. Den kleinen Zettel rollte ich zusammen und steckte ihn mir in den Ausschnitt. Schließlich zog ich mir Jacke und Schuhe an und schlich mit Taschenlampe, Streichhölzern und einer Mineralwasserflasche noch einmal nach draußen. Die Leinwand würde hinten auf der Wiese gut brennen und mit dem Wasser würde ich alles löschen. Sollte noch einmal jemand mein Zimmer durchwühlen, würde er wieder nichts finden!
Mitten in der Nacht schrak ich hoch. Irgendetwas hatte mich geweckt, aber ich war zu benommen, um mich zuerinnern, was es gewesen sein könnte. Der Mond schien durch das Fenster herein und erhellte den Schreibtisch. Alles wirkte wie immer. Doch als ich mich wieder zurücklegen wollte, sah ich aus dem Augenwinkel einen Schatten, der aus der Ecke neben der Tür glitt. Mein Herzschlag beschleunigte, während meine innere Stimme etwas von vorüberziehenden Wolken wisperte. Aber das Mondlicht erreichte die Tür doch gar nicht! Nein, das hier war etwas anderes.
Noch bevor ich hochfahren und schreien konnte, näherte sich der Schatten meinem Bett. Erst als er sich setzte, erkannte ich ihn. Sein dunkles Haar fiel ihm in die gerunzelte Stirn und die grünen Augen schienen in seinem blassen Gesicht zu leuchten. Cyriel legte einen Finger auf seine Lippen.
Erstaunt schluckte ich meinen Schrei hinunter.
»Du darfst nicht bleiben. Hier bist du nicht sicher«, flüsterte er.
»Allerdings nicht«, zischte ich. »Wenn fremde Männer nachts in mein Zimmer kommen!«
Was machte er hier? War das ein plumper Annäherungsversuch oder ein Angriff? Gab es Gründe, die sein Verhalten rechtfertigten?
»Vertraust du mir?«, fragte Cyriel eindringlich, während er mich musterte.
Instinktiv versuchte ich die Bettdecke höherzuziehen, aber solange er darauf saß, war das unmöglich. Skurrilerweise konnte ich den Gedanken nicht ganz loswerden, dass ich für so eine Nacht das falsche Nachthemd anhatte.
»Nun ja, Vertrauen ist so eine Sache …«, murmelte ich, weil ich mit seiner Frage nicht viel anfangenkonnte. Glaubte er, nur weil er mich jetzt duzte und in mein Schlafzimmer kam, dass da irgendetwas zwischen uns war?
Cyriel sah mir in die Augen und lehnte sich vor, sodass wir uns ganz nahe waren. So nahe, dass alles in mir kribbelte. Okay, ich nahm alles wieder zurück und behauptete das Gegenteil: Da war etwas zwischen uns! Sein Blick erreichte einen Punkt in mir, der mich wohlig erschaudern ließ. Ich hatte mich doch hoffentlich nicht in diesen arroganten Egozentriker verliebt?
»Was muss ich tun, damit du mir zuhörst und mir glaubst?«, raunte er.
»Die Wahrheit sagen?«, schlug ich vor.
Cyriel zog sich zurück und saß nun kerzengerade auf der Bettkante. »Das
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