Schattierungen von Weiß
sich noch keinen Reim auf ihn machen, war er wirklich so nett oder hatte er auch Hintergedanken? Jetzt, wo er sie über die Absichten des Mannes aufgeklärt hatte, war sie doch sehr misstrauisch geworden.
„Klar hab’ ich Lust. Paris ist cool. Also – wollen wir?“
Mia schaute ihn für einen Moment bloß an, dann räusperte sie sich. „Ja“, nickte sie dann.
Mia sah aus dem Fenster, es dämmerte schon, eine ganze Zeitlang hatte niemand mehr etwas gesagt. Sie überlegte, was sie von Paris wusste. Hauptstadt von Frankreich, das war ja klar. Bilder kamen ihr in den Sinn. Eiffelturm, Triumphbogen, der Louvre. Sie hatte das alles in Büchern schon einmal gesehen. Und jetzt würde sie dorthin kommen. Auf dem Weg nach Marokko.
Ein Lied, das im Radio lief, zog auf einmal ihre Aufmerksamkeit auf sich. Mia kannte es nicht, aber sie hörte genau hin. Es ging darum, sein altes Leben hinter sich zu lassen. Mia lachte fröhlich auf, als das Lied zu Ende war.
„Magst du den Song?“, Levin sah kurz zu ihr hinüber.
„Ja“, nickte Mia fröhlich, immer noch musste sie lachen. „Ja, ich mag den Song.“
Levin fiel in ihr Lachen mit ein. „Kann es sein, dass der zu uns beiden passt?“
Mia strahlte ihn an. „Schon möglich.“
6
„Okay, wir sind jetzt fünfzig Kilometer vor Paris. Was hältst du davon, wenn wir hier übernachten und dann morgen zum Frühstück in die Stadt fahren?“, schlug Levin ihr vor und steuerte eine Raststätte an.
Er war selbst ein bisschen nervös, weil er nicht einschätzen konnte, was nun passieren würde.
Er würde ihr ja die bequemere Schlafmöglichkeit überlassen und für sich die Sitzecke umbauen, trotzdem war es ein blödes Gefühl, mit einer fremden jungen Frau in dem Hanomag zu übernachten.
„Ja“, Mia sah sie ihn unsicher an. „Und… und wie machen wir das jetzt? Soll ich mir an der Raststätte ein Zimmer suchen?“, nervös spielte sie mit ihren Fingern. Sie schluckte aufgeregt, wie sollte sie sich denn jetzt verhalten?
„Würdest du dir denn ein Zimmer suchen wollen? Wie hast du das denn letzte Nacht gemacht?“, Levins Anspannung wuchs ebenfalls.
„Ich… ich habe auf einer Bank an der Raststätte geschlafen“, gestand sie ihm.
„WAS? WAS HAST DU GEMACHT?“, er sah sie fassun gslos an. „Das kann nicht dein Ernst sein! BIST DU IRRE?“
Mia wich erschrocken vor ihm zurück und quetschte sich in die äußerste Ecke ihres Sitzes. „Warum… warum schreist du so?“, fragte sie ihn panisch.
Levin fuhr sofort wieder runter, sie saß wie ein verschrecktes Kaninchen vor ihm, sofort tat ihm seine Schreierei wieder leid, aber das war mehr aus dem Schock heraus passiert über das, was sie ihm da gerade erzählt hatte.
„Tut mir leid, Mia. Ich wollte dich nicht anschreien, aber… aber meine Güte, warum gehst du diese Risiken denn ein? Man hätte dich ausrauben können oder… oder schlimmeres“, er schluckte heftig.
„Ist ja nichts passiert“, piepste sie.
„Nein, zum Glück, Mensch Mia…“, er schüttelte immer wieder den Kopf.
„Hältst du mich für dumm?“
„Ist das so wichtig?“
„Ich möchte nicht, dass du mich für dumm hältst. Du denkst vielleicht, ich bin verrückt, das… das ist auch völlig in Ordnung, das tun viele. Aber ich bin nicht dumm, okay?“
Levin sah zu ihr, zu seinem Entsetzen bemerkte er, dass sie Tränen in den Augen hatte.
„Hey, Mia“, er hob zaghaft seine Hand und streichelte ihr über die Wange. Sie hatte ganz zarte, weiche Haut. „Du bist nicht dumm. Das wollte ich damit nicht sagen. Aber du bist sehr leichtsinnig und zu gutgläubig. Bitte versprich mir, dass du nie wieder draußen schläfst, okay?“
„Okay“, Mia lächelte ihm erleichtert zu. Er hielt sie nicht für dumm, das war gut.
„Wenn es dir nichts ausmacht, dann können wir beide hier im Hanomag schlafen. Ich penne hier vorne und du im hinteren Bereich“, schlug er ihr vor, jetzt war er gespannt, ob sie darauf eingehen würde.
„Hast du vorher auch da geschlafen?“
„Nein, ich habe hinten geschlafen, aber es ist für mich okay, dir den Platz zu überlassen, Mia.“
„Das möchte ich aber nicht. Ich möchte deine Angewohnheiten nicht umkrempeln, es ist doch wichtig, dass man sich an seine Rituale hält“, Mia schüttelte entschieden den Kopf. „Wenn, dann schlafe ich hier vorne.“
„Mia – es ist doch kein Ritual, dass ich hinten schlafe. Und wenn ich sage, dass es okay ist, dann kannst du mir das ruhig glauben“,
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