Schattierungen von Weiß
er begeistert. „Und danke, Dad.“
„Nun, wenn es dir hilft, deinen Kopf wieder frei zu bekommen, so soll es mir recht sein.“
2
„Guten Morgen, Mia. Hast du gut geschlafen?“
Lydia stand plötzlich in Mias Zimmer, Mia hatte sie gar nicht kommen hören.
Sie antwortete ihr nicht, sondern sah weiter aus dem Fenster.
„Wir wollen gleich in die Stadt gehen. Hast du daran gedacht?“, fragte Lydia freundlich.
Mia nickte nur. Natürlich hatte sie daran gedacht, wie konnte sie das denn auch vergessen?
Es waren die Highlights in der Woche, wenn sie diese Ausflüge in die Stadt machten. Mia durfte zwar auch alleine gehen, aber sie vergaß schon mal die Zeit, weil sie einfach alles in sich aufsog und von den Eindrücken überwältigt wurde – und dann gab es immer Ärger. Zusammen mit den anderen lief sie nicht Gefahr, sich zu verspäten.
„Dann sei bitte in einer halben Stunde unten. Pünktlich, okay?“
„Ja“, Mia sah Lydia kurz an. „Bin ich. Ich werde pünktlich sein.“
„Natürlich wirst du das. Ich wollte dir nichts unterstellen, Mia“, Lydia kam einen Schritt auf sie zu, unerschütterlich lächelte sie weiter. Sie lächelte irgendwie immer.
Mia hatte sich schon oft gefragt, warum Lydia das tat. Immer lächeln, immer freundlich sein. Das musste auf Dauer doch ganz schön anstrengend sein. Aber vielleicht musste sie das ja? Vielleicht musste sie zu so jemandem wie Mia immer freundlich sein? Wahrscheinlich war sie zu den anderen auch so.
Vielleicht sollte Mia mal ein paar von denen fragen?
Aber dann verwarf sie diese Idee wieder. Die anderen interessierten sie nicht, die waren so… komisch.
Mia stand pünktlich in der Eingangshalle. Ein paar von den anderen, die heute mitgehen durften, waren auch schon da. Allesamt mit Betreuer.
„Hallo Mia, da bist du ja. Du siehst hübsch aus“, lächelte Lydia sie an.
„Danke“, Mia grinste innerlich. Sie sah genauso aus wie noch vor einer halben Stunde, nur ihre blonden Locken hatte sie zu einem Zopf zusammen gebunden. Aber bitte, wenn sie Lydia so gefiel, dann sollte es ihr recht sein.
Sie gingen pünktlich los, Mia hielt sich etwas zurück, sie mochte nicht, dass man direkt sah, dass sie zu denen gehörte.
Lydia ließ sie auch in Ruhe, nur ab und zu drehte sie sich zu ihr um, wahrscheinlich hatte sie Angst, dass sie verloren ging.
Mia kannte die Strecke in- und auswendig. Sie führte sie in die Innenstadt, wo all die Geschäfte und Kaufhäuser lagen.
„Sollen wir etwas Neues für dich zum Anziehen kaufen?“
Lydia tauchte plötzlich neben ihr auf, Mia hatte sie gar nicht wirklich wahrgenommen, viel zu sehr war sie damit beschäftigt gewesen, sich die Auslagen anzuschauen.
„Nein, ich möchte nichts.“
„Aber Mia, du trägst immer nur weiße Sachen. Wir könnten doch etwas hübsches Buntes für dich aussuchen“, schlug Lydia ihr – lächelnd – vor.
„Ich möchte aber nichts Buntes, ich mag weiße Sachen. Weiß ist eine schöne Farbe.“
„Ja, das stimmt schon. Aber vielleicht möchtest du mal etwas Abwechslung haben, hm?“, Lydia blieb hartnäckig.
„Nein, ich möchte nicht. Mir gefallen meine weißen Sachen“, auch Mia schaltete auf stur. Diese Diskussion führten sie jedes Mal, wenn sie in die Stadt gingen. Und jedes Mal führte sie zum gleichen Ergebnis: Mia blieb bei ihrem Standpunkt – oder kaufte ein neues weißes Teil.
„Du weißt, dass dir deine Oma jeden Monat Geld überweist, du könntest dir also ruhig etwas Neues gönnen“, versuchte Lydia es erneut.
„Ich möchte nichts“, schüttelte Mia den Kopf, dann stutzte sie.
Ihr Blick fiel auf die Auslage eines Reisebüros, das Schaufenster war neu dekoriert worden, die Bilder hier kannte Mia noch nicht. Jede Woche gab es ein anderes Land, für das Werbung gemacht wurde, jetzt hingen dort Bilder von Marokko. Mia blieb ganz fasziniert davor stehen, sie starrte die Fotos an und war wie gefangen davon.
Marokko, das lag do ch in Afrika. Wie schön es dort war.
Es gab dort große Sanddünen und Berge. Palmen und Meer, und große Märkte mit duftenden Gewürzen und Kamele.
Mia lächelte in sich hinein, sie mochte Kamele. Sie waren etwas wunderlich, so ganz anders, als die Tiere, die es hier gab, sie waren etwas Besonderes.
Mia legte die Hand an die Schaufensterscheibe, versuchte sich jedes Detail der Bilder einzuprägen.
„Mia? Sollen wir weitergehen?“, sprach Lydia sie an.
„Nein, ich möchte mir die Fotos anschauen.“
„Das tust
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