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Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Nießen
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irgendwelchen Vorerkrankungen?«, fragte ich erneut. »Ja, warten Sie mal ...«, begann Ulla. Es folgte eine lange Aufzählung von Krankheiten, jede für sich schon dramatisch genug: »Also, das Herz ist irgendwo undicht, glaub ich, so habe ich es zumindest verstanden. Zucker hat er, der geht immer hoch, wenn der Franz sich aufregt, oder war das das mit dem Blutdruck?... nen Schlag hat er mal gehabt. Die Milz fehlt, die haben sie ihm als Kirmesboxer kaputtgeschlagen, und wenn er viel raucht, kriegt er schlecht Luft ... Können Sie den Franz mal kurz nach der PIN-Nummer von dem Handy fragen?«, bat mich Ulla abschließend. »Äh, Franz kann im Augenblick nicht sprechen, wir kämpfen gerade um sein Leben.« »Ja, macht ja nix, dann eben später.« Entweder die Tante ist extrem abgebrüht, oder die hat ein Stück Seife im Kopf, dachte ich mir noch, während ich meine Befragung fortsetzte: »Gibt es sonst noch irgendetwas, das aus medizinischer Sicht für uns interessant wäre?« »Tripper! Wir zwei gehen ja seit Jahren zusammen in den Swingerclub von dem Rüdiger an der Autobahn, da hat der Franz sich mal was mitgebracht. Aber sonst fällt mir nix mehr ein«, war die unverblümte Replik. Ulla war schon eine besondere Erscheinung. Nicht nur ihr unorthodoxer Kommunikationsstil, sondern auch ihr äußerlicher Auftritt machte was her. Für geschätzte Ende vierzig wirkte sie etwas zu jugendlich. Gesträhnte Haare, denen man ansah, dass sie etwas zu oft blondiert worden waren, krönten ihre circa 165 Zentimeter Körpergröße. Die leicht korpulente Figur hatte sie in eine Samtkorsage gezwängt, die mit kleinen Strasssteinen besetzt war. Das restliche Outfit bildeten eine weiße Bluse mit tiefem Ausschnitt, Bluejeans und schwarze High Heels. Über allem wölbte sich ein riesiger Regenschirm mit der Aufschrift: »FRISIERBAR - Waschen - Schneiden - Föhnen - Trinken.« Pfiffiges Konzept, dachte ich mir, die Kundschaft säuft sich das eigene Spiegelbild schön, da dürften Beschwerden und Reklamationen die Ausnahme sein. Ulla machte auf mich den Eindruck einer typischen Kegelschwester. Jedes Klischee erfüllend, besuchte sie bestimmt zweimal im Jahr eine Ballermannimitation im Sauerland, und nach dem vierten Piccolo war dann ohne Zweifel kein Männerarsch mehr sicher. Noch in Gedanken über Ulla gefangen, stellte ich die überflüssigste aller Fragen: »Kegeln Sie?« »Ja, ich bin seit neun Jahren Mitglied bei den >Frechen Hexen<, aber warum interessiert Sie das, was hat das denn mit meinem Franz zu tun?« »Äh, nichts, entschuldigen Sie die Frage. Für den Augenblick haben Sie uns sehr geholfen, ich muss jetzt zurück zum Rettungswagen. Bleiben Sie doch bitte hier, ich komme gleich wieder und halte Sie auf dem Laufenden.« Mit diesen Worten entzog ich mich der Situation und machte mich auf den Weg durch den Regen. Im Rettungswagen angekommen, stellte ich fest, dass Franz in der Zwischenzeit das gesamte Repertoire der modernen Notfallmedizin genossen hatte. Künstlich beatmet, an diverse Apparate angeschlossen und mit verschiedenen Medikamenten vollgepumpt, lag Franz auf der Trage. Mit wenigen Sätzen schilderte ich meinen Kollegen, was Ulla mir berichtet hatte. »Noch fünf Minuten. Wenn er dann nicht wieder anspringt, schwenken wir die schwarzweiß karierte Flagge des Lebens!«, verkündete Dr. Jung, der als eingefleischter Formel-1 Fan gern Rennsportmetaphern verwendet. Die Zeit verging, doch das Herz von Franz machte keinerlei Anstalten, wieder seinen gewohnten Dienst aufzunehmen. Franz hatte sich entschlossen, seinem Schöpfer gegenüberzutreten. Er war tot. »Todeszeitpunkt 18:37 Uhr, macht den Knaben mal hübsch für die Verabschiedung, und ich hätte gern einen Totenschein, der Schreibkram bleibt ja doch an mir hängen«, gab unser Notarzt letzte Anweisungen. »Passen Sie aber auf, dass Sie in der Rubrik Todesursache nicht wieder Ihren eigenen Namen eintragen!«, frotzelte Hein, der mit Dr. Jung seit Jahren einen liebgewonnenen verbalen Kleinkrieg führte. Gerade holte Dr. Jung tief Luft, um zu kontern, als sein Funkmeldeempfänger am Gürtel ein lautes Piepen von sich gab. »Tja, Jungs, ich hätte gern noch mit euch geplaudert, aber ihr hört ja: Ich muss weiter - die Bevölkerung braucht mich! Bringt der Lebensgefährtin schonend bei, was passiert ist, die Leiche wie immer ins Kühlhaus.« Der Notarzt verließ samt Assistent eiligen Schrittes den Rettungswagen. »Na super, voll ins Klo gegriffen!«, stellte Hein

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