Schauen sie sich mal diese Sauerei an
Helferin, die immer noch neben mir saß: »Das ist die Lebensgefährtin des Herrn, den wir gerade versuchen, im Hier und Jetzt zu behalten.« »Wir kümmern uns gleich um Sie, es gibt ein paar Fragen, die ich Ihnen stellen muss, bitte bleiben Sie in unserer Nähe«, bat ich die Dame. »Mache ich sowieso, ich brauch ja noch die PIN-Nummer von dem Handy«, war die etwas merkwürdige Antwort. Der Versuch, gedanklich einen Zusammenhang zu irgendeiner Nummer herzustellen, wurde von Heins Rückkehr unterbrochen. Wir wuchteten unseren Patienten auf die Trage, bahnten uns einen Weg durch die lebenden Schirmständer und beeilten uns, den Rettungswagen zu erreichen. Hein öffnete die hinteren Flügeltüren, und ich schob die Trage auf die dafür vorgesehene Halterung. Trage rein, Tür zu, ab ins Trockene. Wir bedankten uns bei den Krankenschwestern für ihren aufopferungsvollen Einsatz und die tatkräftige Unterstützung, schlossen die Türen und ließen sie im Regen stehen. Wir hatten genug zu tun, zum Flirten blieb jetzt keine Zeit. Hein fantasierte zwar noch, dass er keine von beiden von der Bettkante schubsen würde; meine verbale Spitze, dass beide ja auch schon ganz feucht wären, kommentierte er aber nicht mehr. Die Reanimation wurde im Rettungswagen fortgesetzt, und wir trafen Vorbereitungen, unseren Patienten mit Elektroschocks zu traktieren. Franz - den Namen hatten wir ja in der Zwischenzeit erfahren - machte optisch den Eindruck, die Lebenskerze in der Vergangenheit von zwei Seiten angezündet zu haben. Übergewicht, gelbe Nikotinfinger, verschiedene Tattoos und ein Brustwarzenpiercing dominierten sein Äußeres. Die Tattoos waren besonders imposant. Ein historisches Segelschlachtschiff auf der linken Brust sowie der kunstvoll geschwungene Name »Ulla« auf dem Unterarm waren sein Beitrag zur modernen Körperkunst. Es klopfte an der Seitentür des Rettungswagens. Bevor wir reagieren konnten, wurde die Tür geöffnet. Dr. Jung und sein Assistent sprangen in den Patientenraum. »Sauwetter!«, bemerkte der eintreffende Notarzt zur Begrüßung. »Die reinste Sintflut da draußen, na ja, egal. Erzählt mir was zu unserem Schätzchen - wieso liegt der Typ so gut wie tot in eurem Auto?« Während weitere medizinische Maßnahmen eingeleitet wurden, machte Hein eine kurze Übergabe. Durch die eingetroffene Verstärkung hatte ich Zeit, mehr über unseren Franz herauszufinden. In seiner Brieftasche fand ich einen Pass, der ihn als Herzklappenpatient und Diabetiker auswies, ich schaute auf sein Geburtsdatum und schluckte. »Der Kerl hat heute Geburtstag. Wird 53 Jahre alt«, bemerkte ich betroffen. »Schnickschnack. Sentimentaler Quatsch für Angehörige, ein Tag ist so gut zum Sterben wie jeder andere«, stellte Dr. Jung fest. Der bis dahin eher wortkarge Assistent meldete sich zu Wort: »Wir brauchen mehr Informationen. Gibt es Angehörige, die wir kennen, oder war jemand bei ihm?« »Draußen wartet irgendwo seine Lebensgefährtin«, sagte Hein in einem eher beiläufigen Tonfall, als hätte er mit alldem hier nichts zu tun. Alle schauten sich wie Unbeteiligte an, weil alle wussten: Einer muss raus in den Regen und Fragen stellen. Die Frau bei laufender Reanimation in den Rettungswagen zu holen, kam nicht in Frage. Der Notarzt erklärte grinsend, er würde ja gern gehen, es täte ihm leid, aber er habe die Pflicht, beim Patienten zu bleiben. Um es kurz zu machen: Der Rest von uns spielte Schnick-Schnack-Schnuck. Den Kragen meiner Jacke fest in den Nacken ziehend, verließ ich fluchend den Rettungswagen und schaute mich um. Unter dem kleinen Vordach einer als Litfaßsäule getarnten öffentlichen Toilettenanlage fand ich die Frau von eben wieder. »Guten Tag noch mal, ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen«, begann ich unser Gespräch. »Gerne, was wollen Sie denn wissen?«, erwiderte sie. »Zunächst wüsste ich gerne Ihren Namen, und in welcher Beziehung stehen Sie zum Opfer, äähhh, Patienten?«, formulierte ich unbeholfen. »Ulla Schröders, und wir leben in einer sexuell offenen Beziehung«, war ihre viel zu präzise Antwort. Noch innerlich mit der Frage beschäftigt, ob das gerade ein Angebot war, stellte ich die nächste Frage: »Frau Schröders ...« Hier wurde ich bereits unterbrochen. »Mich nennen alle Ulla!« » Ulla, leidet Ihr Mann an irgendwelchen Vorerkrankungen ?«, beendete ich die ursprüngliche Fragestellung. »Das ist nicht mein Mann, das ist der Franz!«, wurde ich belehrt. »Gut, leidet Franz an
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