Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Nießen
Vom Netzwerk:
ist seine Aufgabe bei diesem Einsatz. Unter Notärzten in Rettungsdienstkreisen sind Todesfeststellungen äußerst beliebt, wird diese Dienstleistung doch sehr fürstlich separat bezahlt. Meist sehr leicht verdientes Geld, schließlich muss man nicht mehr wirklich am Patienten arbeiten: Leichenschau, vorläufigen Totenschein schreiben, Angehörige flüchtig trösten - fertig. Aber es gibt auch Ausnahmen. Dann ist dieser Zusatzverdienst wirklich hart verdientes Geld: Wasserleichen oder Leichen, die im Sommer erst nach Tagen und Wochen in ihrer Wohnung gefunden werden, sind nichts Angenehmes. Der Geruch einer verwesenden Leiche in einer ungelüfteten Dachgeschosswohnung im Sommer nach vier bis fünf Tagen ist schwer zu beschreiben. Der Odem des Todes ist in meiner Nase eine Mischung aus süßlich-säuerlichen Exkrementen - der Schließmuskel erschlafft irgendwann bei jedem von uns - und dem moderigen feuchten Duft eines alten Kellers. Das mit dem Schließmuskel ist ne faire Sache: Im Tod sind alle Menschen gleich. Ich frage mich manchmal, ob sich Menschen wie Paris Hilton dieser Tatsache bewusst sind. Es ist wohl in meiner Berufsgruppe normal, auch in tragischen und traurigen Momenten kleine Amüsements wahrzunehmen und nicht den Humor zu verlieren. Jedenfalls bemerkte ich noch, dass Dr. Brendels Hose zweifelsohne schlecht saß. Man hätte jedenfalls bequem einen Euro in den Münzschlitz werfen können, wenn Sie wissen, was ich meine. Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass im Hause Zimmermann in Zukunft ein Frühstücksei weniger benötigt werden würde. Ich möchte die Spannung etwas herausnehmen, und Sie sofort mit der harten Wahrheit konfrontieren: Herr Zimmermann war tot. So ist das mit dem Leben, es endet grundsätzlich tödlich. Eine Tatsache übrigens, die von unserer Gesellschaft mit zweifelhaftem Erfolg ignoriert, ja zum Teil sogar negiert wird. Wo dürfen Sie in Deutschland denn noch in Ruhe ungestört sterben? »Zu Hause!«, glauben Sie? Diese Illusion muss ich leider zerstören. Wenn Sie alt und gebrechlich sind und auch selbst schon sterben wollen, kommen Ihnen Angehörige und ambulanter Pflegedienst dazwischen. Sie werden im kleinen ehemaligen Kinderzimmer kaputt gepflegt, schließlich sind Sie durch die Pflegestufe III der inoffizielle Hauptverdiener der Familie. Denken Sie an die Arbeitsplätze der Pflegekräfte, da zählt jeder Tag sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Diese Menschen werden nicht zögern, Sie für jedes Zipperlein ins Krankenhaus zu verfrachten. »Gut, dann sterbe ich halt im Krankenhaus«, werden Sie sagen. Auch falsch. Selbst mit Krebs bis unter die Hutschnur, Schlaganfall, Herzinfarkt und Diabetes und das alles zusammen, im stolzen Alter von 89 Jahren, wird man Sie therapieren auf Teufel komm raus. Man will sich schließlich nicht von den Angehörigen nachsagen lassen, man hätte nicht alles Menschenmögliche getan. Da muss man auch noch mal eine Darmspiegelung über sich ergehen lassen - alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung. »Ach, mit 89 bin ich schon im Altenheim«, werden Sie sagen. Ja, vielleicht, aber sterben werden Sie dort bestimmt nicht. Altenheime fürchten Tote wie der Teufel das Weihwasser. Es ist schlecht fürs Geschäft, wenn der schwarze Kombi zu oft am Lieferanteneingang parkt. Außerdem: Der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung wird hier bei jedem Schichtwechsel, ähnlich einem indischen Mantra, Wort für Wort gemeinsam gebetet. Sterben ist in Deutschland Glückssache. Wenn Sie irgendwo sterben, hat irgendjemand Scheiße gebaut. Hospize sind eine echte Alternative, aber leider gibt es eine tragische Parallelität zwischen kostenfreien Parkplätzen in deutschen Innenstädten und Hospizplätzen. Aber zurück zu Familie Zimmermann, besser gesagt: Witwe Zimmermann. Spulen wir die Zeit einfach circa zwanzig bis dreißig Minuten zurück. Herr und Frau Zimmermann lebten unaufgeregt, aber glücklich im zweiten Stock eines netten Mehrfamilienhauses. Herr Zimmermann war 72 Jahre alt, als ehemaliger Ausbilder für Verwaltungsfachangestellte seit zwölf Jahren Rentner und in den Sommermonaten leidenschaftlicher Boulespieler, mit leichtem Hang zum Schnäpschen nach dem Essen. Frau Zimmermann war Hausfrau, siebzig Jahre alt und zeit ihres Lebens, obwohl selbst kinderlos, ehrenamtlich im Müttergenesungswerk tätig. Der Herbst des Lebens verlief ohne größere Zwischenfälle oder Krankheiten in schönen Ritualen zwischen Autowäschen am Samstag und

Weitere Kostenlose Bücher