Schauen sie sich mal diese Sauerei an
veränderte sich, und er legte los: »Wissen Sie was? Sie gehen mir mit Ihrer beschissenen PIN-Nummer auf den Sack! Was ist denn so Wichtiges in Ihrem Handy gespeichert? Die Nummer vom Nagelstudio vielleicht, oder ist es der Hundefriseur? Wissen Sie was? Schauen Sie einfach in irgendein verschissenes Telefon Verzeichnis!« Hein legte auf. Es vergingen nur Sekunden, bis das Telefon erneut läutete. Hein stand auf, kratzte sich das Geschlecht und sagte nur: »Ich muss aufs Klo!« Weg war er, das Telefon läutete immer noch, anscheinend war ich jetzt an der Reihe. »Ja, bitte?«, fragte ich knapp. »Ah, Sie sind es, ich erkenne Sie an der Stimme wieder. Hier spricht Ulla. Vielleicht erinnern Sie sich. Ich sprach schon mit Ihrem Kollegen, aber der konnte mir nicht weiterhelfen ...« »Stopp!«, unterbrach ich Ulla barsch. »Ihre PIN kenne ich nicht, und Franz, Gott hab ihn selig, hat auch keinen Ton davon erzählt. Es ist Ihnen vielleicht nicht aufgefallen, aber Franz war bei unserer Ankunft schon so gut wie tot. Da erzählt keine Sau mehr was von Nummern. Haben Sie verstanden, was ich sage?« »Ja, sicher!«, antwortete Ulla mit völliger Selbstverständlichkeit. Gleichzeitig holte sie auch schon tief Luft, um fortzufahren: »Es gibt noch ne Sache, die wir zwei dringend besprechen müssen!« Hein war in der Zwischenzeit zurückgekommen und hörte nun seinerseits mit. »Also, es geht um das Brustwarzenpiercing von dem Franz«, begann Ulla. Mir entglitten schon jetzt alle Gesichtszüge. »Das Ding ist aus echtem Silber, jede Menge Karat, und der Franz wird ja angezündet, der kommt ja in den Ofen, und dann schmilzt das Silber ja. Das wäre doch schade, man muss dem Totengräber ja nix schenken! Können Sie nicht das Piercing besorgen, dann machen wir halbe-halbe!« Zwischen Fassungslosigkeit und einer abstrakten Belustigung gefangen, legte ich wortlos auf. »Die Alte hat doch einen Pfeil im Kopf!«, kommentierte Hein mein Telefonat mit Ulla, bevor wir weiter frühstückten. Es vergingen zwei Tage, wir desinfizierten gerade unseren Rettungswagen, als Jochen wieder mit dem schnurlosen Telefon bewaffnet die Fahrzeughalle betrat. »Eine Frau Ulla Schröders für einen von euch beiden. Sie sagt, es sei sehr wichtig.« »Ich kenne keine PIN-Nummer!«, brüllte Hein und lief in Richtung Toilette, um sich dort einzuschließen. Mit dem sicheren Gefühl, das Falsche zu tun, nahm ich das Telefon entgegen. Es hatte eh keinen Sinn, sich verleugnen zu lassen oder gleich aufzulegen. Ulla würde so lange anrufen, bis sie ihren geistigen Durchfall an den Mann gebracht hatte. »Was kann ich denn heute für Sie tun?«, fragte ich mit bewusstem Desinteresse in der Stimme. Ulla legte los: »Ich würde Sie und Ihren Kollegen gerne einladen. Sie waren ja quasi die letzten Menschen, die Franz lebend gesehen haben, na ja, mehr oder weniger. Auf jeden Fall ist der Franz ja jetzt im Ofen gewesen. Zu Hause hinstellen darf ich den Aschenbecher nicht. Das hat die Stadtverwaltung mir verboten. Deshalb ist am Freitagnachmittag um 14:00 Uhr die Strafbestattung. Da wollte ich jetzt mal fragen, ob Sie kommen, wegen dem Kaffee und Kuchen danach, verstehen Sie?« »Ich verstehe im Augenblick gar nichts. Was um Himmels willen ist eine Strafbestattung?«, fragte ich, allerdings ohne Hoffnung auf eine vernünftige Antwort. »Der Franz war ja nicht mehr ganz frisch, wenn Sie wissen, was ich meine. Das ganze Geld versoffen und verfickt, na ja, ich will nix sagen, ich hab ja auch noch mitgemacht. Auf jeden Fall, wenn Sie die Beerdigung nicht bezahlen können, wird straf bestattet. Ein Stück Rasen und ne Schieferplatte, das war es!« Ulla hatte es wieder mal geschafft: Ich war sprachlos. Die Einladung zur »Strafbestattung« lehnte ich höflich, aber unverblümt ab. Nach einer Viertelstunde gab Hein sein selbst gewähltes Gefängnis auf. »Ja, Hein, so ist das! Es gibt solche und solche«, stellte ich vielsagend fest. »Und es gibt noch die anderen«, ergänzte Hein mit universeller Weisheit.
4. Erste-Hilfe-Kurs besucht?
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Der Abend des Lebens bringt seine Lampe mit. Joseph Joubert
D onnerstag, 16:32 Uhr. Nieselregen. Das Notarzteinsatzfahrzeug erreichte gerade die Einsatzstelle, als ich innerlich immer noch lächelnd und doch traurig berührt den Hauseingang in der Pfarrergasse 17 verließ. »Exitus - zweiter Stock, links bei Zimmermann«, rief ich dem Notarzt zu. Freundlich nickend lief Dr. Brendel an mir vorbei ins Treppenhaus. Todesfeststellung, das
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