Schauen sie sich mal diese Sauerei an
nachschauen, was darunter zu verstehen ist. »Hab ich mal gegoogelt - kam aber nix«, wäre eine mögliche Antwort. Aber ich sollte aufhören, mit meiner Generation zu hadern, schließlich wurde ich selbst schon mit 27 Jahren glücklich geschieden und sollte erst einmal vor meiner eigenen Haustür kehren. Agnes kämpfte mit den Tränen und rang nach Fassung. »Hat er gelitten oder Schmerzen gehabt?«, kam es gequält aus ihr hervor. Nein, tut nur einmal kurz weh, wahrscheinlich ein dicker fetter Hinterwandinfarkt, da implodiert fast die Brust. Geht dann aber ganz schnell: piff, paff, peng. Herzkranzgefäße sind im Prinzip nichts anderes als versiffte Abwasserleitungen. Mit der Zeit setzt sich an den Wänden unter Einfluss von Wein, Weib und Gesang allerlei Siff ab - irgendwann ist die Leitung ganz zu, und dann ist Licht aus im Ballhaus. Bevor ich meine Gedanken halbwegs hinterbliebenenfreundlich umformulieren konnte, kam Hein mir zuvor: »Ich glaube nicht, Frau Zimmermann, Ihr Gatte hat einen friedlichen Gesichtsausdruck. Er ist wohl sanft entschlafen.« Respekt, mein lieber Hein! Hätte von mir sein können. Gefühlvoll, eloquent und passend. »Ich hab noch Herzmassage gemacht«, schluchzte Agnes. In diesem Moment wurde ich leicht stutzig. Josef saß zusammengesackt, aber dennoch fast aufrecht im ledernen Ohrensessel. Wiederbelebungsmaßnahmen, vor allem Herzdruckmassage, sind in dieser Haltung nicht nur ineffizient, sondern technisch auch nahezu unmöglich. Ich konnte nicht anders und fragte nach: »Wie haben Sie denn das Herz massiert, Frau Zimmermann?« Ohne zu zögern, zog Agnes aus der aufgesetzten Seitentasche ihrer Strickjacke ein durchsichtiges Fläschchen 4711 Echt Kölnisch Wasser. Was nun folgte, war eine ungewollte Parodie auf alle Erste-Hilfe-Kurse. Agnes benetzte großzügig ihre rechte Hand mit dem Duftwässerchen und verrieb es in im Uhrzeigersinn verlaufenden, kreisenden Bewegungen auf Josefs gesamter Brust. Nach der Demonstration schauten wir in fragende, unsichere, ja fast um Bestätigung bittende Augen. Für einen Moment herrschte erdrückende Ruhe - kaum zu ertragen. Sie mögen mich für einen Bastard halten, aber ich lachte innerlich. Das sind die Momente in meinem Beruf, in denen Tragik und Situationskomik sehr nah beieinanderliegen. Nun erklärte sich nicht nur der Duft in der Wohnung, sondern auch der Unterschied zwischen Herzmassage und Herzdruckmassage. Ich riss mich zusammen, um Agnes nicht durch verkniffenes Lachen zu verletzen. Das hätte sie nicht verdient. Hein hatte heute wohl schon seinen Rhetorikkeks gegessen und ließ sich zu einem pathetischen »Sie haben getan, was Sie konnten ...« hinreißen. Ein Biss auf die Zunge verhinderte das Lachen. Josef war seit mindestens einer Stunde tot - keine noch so tolle Herzdruckmassage hätte ihn retten können. Ich hörte, dass der Notarzt eintraf. Für uns war hier nichts mehr zu tun. Wir packten unsere Geräte, verabschiedeten uns taktvoll und begegneten im Hauseingang Dr. Brendel. Ein leises »Scheiße ... meine Hose rutscht« verhallte fast ungehört im Treppenhaus.
5. Nicht den Humor verlieren
Es gibt Tage, da verliert man
Das Beste an der Zukunft ist vielleicht der Umstand, dass immer nur ein Tag auf einmal kommt. Dean Acheson
M it Erreichen eines bestimmten Datums legen Männlein und Weiblein alljährlich ihre gute Erziehung ab, vergessen alle gesellschaftlichen Verpflichtungen und frönen der Wollust, der Völlerei und anderer Todsünden, die die sichere Verdammnis nach sich ziehen. Beschauliche Städtchen verwandeln sich in siedende Schmelztiegel. Kneipen, Alkohol, Schlägereien und betrogene Ehefrauen bestimmen den Einsatzalltag. Als sei dieses liederliche Verhalten nicht schon schlimm genug, muss man sich selbst auch noch in einer Parade feiern. Wie ein Lindwurm zieht dann der Zug aus Fußgruppen, Kapellen und geschmückten Wagen selbstverliebt durch die abgesperrte Innenstadt. Als hätte sich der Wahnsinn mit dem Landregen verbreitet, strömen aus dem gesamten Umland unzählige kostümierte Besucher ins Innere der alten Stadtmauer. Es ist Fastnacht, Karneval, Fasching, oder wie Sie den kalendarisch angeordneten Frohsinn auch immer nennen wollen. Festivitäten dieser Art fordern Opfer. Vorgärten werden zu öffentlichen Urinalen, Parkplätze werden mit dem Faustrecht erkämpft, und die Einsatzstatistiken von Polizei und Rettungsdienst überbieten meist die Vorjahreszahlen. Opfer gibt es aber auch in anderer Hinsicht. Werfen
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