Schauen sie sich mal diese Sauerei an
beschriebenen Einsätze noch auf einen Monat verteilt, so wurde jetzt die Schlagzahl erheblich erhöht. Veronika ließ nicht von ihrer fixen Idee ab, sie und Hein seien füreinander bestimmt, und da könne die Welt noch so lange versuchen, diese Liebe zu verhindern, sie würde darum kämpfen. Veronikas wirksamste Waffe war ihr Telefon. Natürlich kann man auch den dümmsten Leitstellendisponenten nicht ewig auf den Arm nehmen, aber Veronika hatte ein unglaubliches Geschick, Notrufe so plausibel zu formulieren, dass häufig keine Wahl blieb und ein Rettungswagen alarmiert wurde. Immer wenn Hein nicht auf dem jeweiligen Rettungsmittel Dienst tat, wurde die Leitstelle angerufen und vorwurfsvoll behauptet, es sei der falsche Wagen geschickt worden. Die Unverschämtheiten, mit denen die eintreffenden Kollegen dann begrüßt wurden, waren unglaublich: »Ich hab da so ne Stelle am Rücken, da komm ich nicht dran, können Sie mich mal jucken?« Oder: »Ich habe für Hein eine Gemüselasagne zubereitet, können Sie ihm die wohl zukommen lassen?« In Spitzenzeiten alarmierte Veronika zwei- bis dreimal am Tag einen Rettungswagen, was zu mehreren Anzeigen wegen Notrufmissbrauchs und einem Vorstellungstermin beim diensthabenden Psychiater führte. Niemand weiß, was Veronika mit dem Fachmann für Neurosen und Psychosen angestellt hat, jedenfalls wurde ihr attestiert, dass sie maximal ein wenig merkwürdig sei, und damit müsse eine Gesellschaft umgehen können. Irgendwo ist da sogar was Wahres dran. Die ärmste Sau in dem ganzen Spiel war Hein. Wie oft musste Hein Veronika erklären, dass er ihre Liebe nicht erwidern könne. Wie oft musste Hein den Hohn und Spott der Kollegen ertragen. Als der Höhepunkt erreicht war und Veronika Hein im Lokalradio ihre Liebe gestand, ließ Hein sich für vier Wochen auf eine andere Wache versetzen. »Die hungern wir aus, irgendwann wird auch der mal langweilig!«, war Heins kämpferischer Kommentar. Als temporären Ersatz für Hein war Mathias unserer Wache zugeteilt worden, und ich war sein fest eingeteilter Kollege auf dem Rettungswagen. Mathias war medizinisch top ausgebildet und auch sonst ein netter Kerl. Die vier Wochen Dienst mit ihm würden kurzweilig werden. Natürlich hatte ich ausführlich von Veronika erzählt, um meinen neuen Kollegen nicht unvorbereitet ins offene Messer laufen zu lassen. In den vergangenen drei Tagen hatten wir Glück gehabt. Kein einziges Mal mussten wir Liebesgrüße von Veronika ertragen; jedoch war klar, dass es sich nur um eine kurze Verschnaufpause handelte. Noch vor dem Mittagessen sollte uns das Schicksal zum Rapport bitten. Wir standen wieder einmal in Veronikas Wohnzimmer. Sie klagte über Schlafstörungen, und Mathias hörte interessiert zu. Mich fesselte derweil der laufende Fernseher. Sender der Wahl war »Astro-Sat«. Sieht ihr ähnlich, dachte ich mir, als gerade eine Dame, die gerne anonym bleiben wollte, einer Kartenlegerin per Telefon folgende Frage stellte: »Ich habe mein Opernglas verlegt, können Sie mir sagen, wo ich es wiederfinden kann?« Nachdem einige Karten gemischt, gelegt und nochmals verteilt worden waren, kam die unglaubliche Antwort. Halten Sie sich fest, die Kartentante im Fernseher sagte wortwörtlich (osteuropäischer Akzent): »Ja, ich sehen Opernglas. Aber liegt nicht, wo sonst liegt.« »Ja, aber wo ist es denn?«, setzte die Dame nach. »Kostenlos anonyme Beratung ist leider auf eine Frage begrenzt, tut mir leid!«, mit diesen Worten war das Hellsehen beendet, und der Nächste in der Warteschleife wurde zur Verarschung aufgerufen. Noch von der gesellschaftlich zerstörerischen Kraft solcher Sender fasziniert, wäre mir fast entgangen, was sich neben mir auf einer Ansammlung asiatischer Sitzkissen abspielte. Mathias drückte irgendwelche Punkte in Veronikas Gesicht, und diese war wohl aufgrund dieser Maßnahme in ein zufriedenes Brummen verfallen und lag mit geschlossenen Augen entspannt auf dem Rücken. »Und jetzt tief in den Bauch atmen«, erklärte Mathias mit sonorer Stimme. Was tut der Kerl da?, schoss es mir durch den Kopf. Hatte ich ihn nicht gewarnt? Der Arme hatte ja keine Ahnung, wo das hinführt! »Äh, du weißt, was du da tust?«, fragte ich Mathias unsicher. »Jaja, es gibt spezielle Druckpunkte auf bestimmten Meridianen ...« Hier unterbrach ich ihn barsch: »Das meine ich nicht! Ich hab keine Lust, noch einen Kollegen an diese Medusa zu verlieren!« »Zu spät, wir gehen morgen zum Veganer, lecker essen!«,
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