Schauen sie sich mal diese Sauerei an
piepste Veronika freudig triumphierend mit immer noch geschlossenen Augen. Ich starrte Mathias fassungslos an. Dieser nickte nur schulterzuckend und lächelte Veronika gewinnend entgegen. Als wir irgendwann wieder im Rettungswagen saßen, polterte ich los: »Dir ist bekannt, dass die alten Griechen glaubten, das Gehirn sei nur zum Kühlen des Blutes von Nutzen. Ich kann da deinerseits gewisse Parallelen erkennen! Wie kannst du dich mit... mit... mit der da verabreden?« Lachend nahm Mathias mir den Wind aus den Segeln: »Ich finde Veronika interessant, sie hat einen weiten Geist, besitzt Spiritualität, und Yoga wollte ich immer schon mal ausprobieren. Lass mich mal machen!« »Einen weiten Geist...!«, wiederholte ich ungläubig und um Fassung ringend. Ich kam mir vor wie ein Vater, der seinen braven Sohn an eine nymphomanisch veranlagte Glücksspielerin verloren hatte. Aber es herrschte Ruhe! Nachdem Mathias sich mit Veronika eingelassen hatte, war kein einziger Notruf von Veronika registriert worden. Mathias wurde als eine Art lebender Märtyrer gefeiert, und jeder dankte ihm für das große Opfer, das er zu bringen bereit war. Mathias amüsierte sich sowohl mit den Kollegen als auch mit Veronika. Yoga-Kurs, ayurvedisches Kochseminar, Tarot, das volle Programm. Das Verhältnis, die Beziehung oder was auch immer hielt leider nur drei Wochen. Danach stellte Veronika fest, dass Mathias nicht tief genug mit Mutter Natur mitschwingen würde, er besäße noch nicht die esoterische Reife, um neben ihr zu bestehen, und würde sich auch nicht ausreichend um innerliches Wachstum bemühen. Sie machte Schluss. Eine große Sorge erfüllte uns, dass nun das Werben um Hein erneut beginnen würde. Manche versuchten sogar, Mathias zu überzeugen, wenigstens einer der Selbsthilfegruppen Veronikas beizutreten, quasi um sie milde zu stimmen. Mathias lehnte ab, er hatte begonnen, einer Dame mit Beinbruch den Hof zu machen, und besuchte diese täglich im Krankenhaus. Bis heute ist alles ruhig geblieben, aber wie steht es geschrieben: Wir kennen weder Tag noch Stunde!
8. Bildung Ist In der Regel kostenlos, manchmal auch umsonst
Lehrjahre sind keine Herrenjahre
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont. Konrad Adenauer
V on Zeit zu Zeit erscheint auf Feuer- und Rettungswachen sogenanntes »Frischfleisch«. Unter dieser der Metzgerzunft entliehenen Bezeichnung versteht man Auszubildende im Praktikum. Wie immer im Leben gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man begegnet einem jungen engagierten Mitarbeiter, der voll Wissensdurst und Tatendrang seinen beruflichen Horizont erweitern möchte, oder man trifft auf einen eher mäßig motivierten Kollegen, der jeden Unterricht und jede Übung nur als notwendiges Übel betrachtet. Zwischen diesen beiden Typen verteilt sich die große Masse von Auszubildenden. Hier und da gibt es natürlich auch Ausreißer, selbstverständlich nach oben wie nach unten. Über Letztgenannte lässt sich aber schöner schreiben, und so möchte ich Ihnen Helmuth vorstellen. Helmuth darf getrost als Super-GAU der Rettungsdienstausbildung bezeichnet werden. Jene Kombination aus Naivität und übertriebenem Rettungseifer, die ihn kennzeichnete, erhöhte das allgemeine Lebensrisiko für alle Beteiligten. Die rhetorischen Fähigkeiten unseres angehenden Sanitäters waren dabei das größte Problem. Eine gewisse kindliche Unbefangenheit ließ Helmuth alles so formulieren, wie er es im Augenblick erlebte oder durchdachte. Nach einem Tötungsdelikt mit einem Brotmesser im Bahnhofsviertel fragte Helmuth gut gelaunt in die Runde der Angehörigen: »Sind denn in letzter Zeit irgendwelche Lebensversicherungen abgeschlossen worden?« Die Anwesenden reagierten leicht gereizt auf seine unterschwellige Annahme, der Tod des Opfers könne möglicherweise durch sie eingetreten sein. Nur mit Mühe konnten weitere Stichverletzungen verhindert werden. Noch dazu war Helmuth kaum zu vermitteln, warum die Frage aus dem Mund eines Kriminalbeamten eventuell angemessen, aber aus seinem einfach nur unverschämt klang. Ein Patient mit einer schmerzhaft geschwollenen Wasseransammlung im Hodensack wurde mit folgendem Kommentar beglückt: »Mann, Mann, Mann, da haben Sie aber eine Weile drauf gesammelt, was?« Die wütende Reaktion des todkranken Mannes war zwar nachzuvollziehen, aber nicht gut für seinen Blutdruck. Nach einer Vielzahl verbaler Entgleisungen wurde Helmuth verboten, sich mit
Weitere Kostenlose Bücher