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Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Nießen
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zu jucken und auch kaum noch wehgetan. Aber mein Freund ist ja jetzt nicht da! Da hab ich im Medizinlexikon nachgeschaut, das hat mir meine Krankenkasse vor zwei Jahren zur 20-jährigen Mitgliedschaft geschenkt. Da stand unter Bienenstich: Gefahr einer anaphylaktischen Reaktion! Was ist das überhaupt? Jedenfalls hab ich Angst bekommen und Sie angerufen. Hab ich was falsch gemacht? Wollen Sie einen Tee?«, erklärte und fragte Veronika gleichzeitig in einer Art, dass man ihr nicht einmal böse sein konnte. »Nein, vielen Dank, kein Tee«, lehnte ich mit grundsätzlicher Haltung ab. »Dann haben Sie vielleicht Hunger? Ich könnte Ihnen auch ein Brot schmieren, selbstgebacken mit Hildegard-von-Bingen-Kräutern. Ziegenkäse und Biobutter mit gerösteten Sonnenblumenkernen sind auch noch da, wenn Sie wollen.« Schnell war Blickkontakt mit Hein hergestellt, und ohne Worte waren wir uns einig: Gegessen wird hier nix. Die Gute sucht Gesellschaft, und wir sind ihre Opfer. »Nein, vielen Dank, wir haben schon gegessen«, verweigerte Hein höflich die Nahrungsaufnahme. »Na, dann wenigstens einen Tee, ich bitte Sie, Sie müssen mir doch die Chance geben, Ihre Bemühungen zu würdigen«, flehte Veronika. Hein ließ sich erweichen: »Na gut, einen Tee, aber währenddessen erkläre ich Ihnen den Sinn und Unsinn von Notrufen.« »Sehr gern, sehr gern!«, jubelte unsere Gastgeberin. Während Hein versuchte, Wissenswertes zum Thema Notruf 112 zu vermitteln, wurde er immer wieder von Veronika unterbrochen, die lieber über ihre neue Selbsthilfegruppe »SfvdGnbl« (Selbsthilfegruppe für von der Gesellschaft nicht beachtete Individuen) sprechen wollte. Aus dem Gespräch hielt ich mich völlig heraus, stattdessen schlürfte ich meinen Tee und ließ die Wohnungseinrichtung auf mich wirken. Ein Bücherregal erregte meine Aufmerksamkeit. Sage mir, was du liest, und ich sage dir, wer du bist! Eine Ansammlung von Büchern verrät viel über deren Leser, und so wunderte ich mich nicht über Titel wie: Der Heilpraktiker in Dir selbst , Die Botschaft der Steine , Indianische Mythologie im Heute erleben , Engel - Begleiter aus Licht und die Werke diverser indischer Gurus. Vor dem Fenster im Wohnzimmer hing ein indianischer Traumfänger mit circa 90 Zentimeter Durchmesser, der jedoch augenscheinlich eher als Staubfänger diente. Der Rest der Wohnung bestand größtenteils aus Produkten eines ursprünglich skandinavischen Möbelhauses und war eher unspektakulär. Hein hatte endlich ein Ende gefunden, und auch Veronika wusste nichts mehr über ihre Selbsthilfegruppen zu berichten. Schlösser und Riegel wurden wieder geöffnet, wir verabschiedeten uns, tauschten Höflichkeiten aus, und zu war die Tür. »Gott sei Dank vorbei! Diese öko-esoterisch angehauchte Hypochonderin ist gefährlich. Aus dem Holz sind Serienkiller geschnitzt«, entfuhr es mir. Hein orakelte: »Stimmt, und das Schlimme ist, die haben wir heute nicht zum letzten Mal gesehen!« Er sollte recht behalten. Wenige Tage später standen wir beide wieder bei Veronika in der Wohnung und konnten unser Glück kaum fassen. Ich fragte bemüht seriös: »Was ist denn heute das Problem?« »Es kribbelt mir in den Fingern!«, antwortete unsere Patientin mit einem gewissen Trotz in der Stimme, der ahnen ließ, dass sie mit Unverständnis rechnete. »Mir kribbelt es auch in den Fingern!«, raunte ich Hein zu. »Nur die Ruhe«, meinte Hein mit einer bewundernswerten Gelassenheit. »Es kribbelt? Das haben Sie aber doch nicht dem Disponenten erzählt, als Sie die 112 angerufen haben, oder?« »Nein, sind Sie denn verrückt, das klingt doch völlig unerheblich. Am Telefon habe ich gesagt, ich hätte nach körperlicher Anstrengung neurologische Ausfälle in den Extremitäten. Tee wie letztes Mal?«, fragte Veronika beiläufig, als sie kochendes Wasser in eine Kanne goss. Mir stand der Mund offen, und ich hatte wohl auch Farbe verloren, denn Veronika riet mir dringend, einen Heilpraktiker aufzusuchen: »Sie sehen nicht gesund aus, ich schätze Mineralmangel!« Sprachs und verfeinerte ihren Tee mit Kandis. »Nach dem Bienenstich hab ich mich auch erst mal entgiften lassen. Man weiß ja nicht, auf was die Tiere gesessen haben, als sie ihr Gift produzierten. Da kann man sich alles holen. Fünf Tage hab ich jetzt blutreinigende Salze geschluckt und zwei Sitzungen mit Magnetfeldresonanztherapie über mich ergehen lassen. Aber jetzt fühl ich mich besser«, brabbelte Veronika drauflos. »Und wovon kommt das

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