Schauen sie sich mal diese Sauerei an
fest. »Die komische Sprachwurzel hat ja zurzeit mein Kollege, der sagt aber im Augenblick nichts. Ist das Ding kaputt? Oder was soll der Blödsinn? Wir sind hier in Mitteleuropa, hier spricht man, wenn man es für richtig hält, und nicht durch die Erlaubnis eines wurmzerfressenen Holzklotzes. Also noch mal! Was ist passiert? Oder anders formuliert. Warum sind wir diesmal hier?« Heins grobe Ansprache zeigte Wirkung. Weinend und jammernd ließ Veronika sich kraftlos an der Wand entlang auf den Boden ihres Flurs gleiten. »Gott sei Dank! 2012 ist Weltuntergang, da brauch ich mein trübes Dasein ja nicht mehr lange zu ertragen!«, wimmerte unsere Patientin theatralisch. »Jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit dem Mayakalender! Da muss ich Sie enttäuschen.« Hein verschränkte seine Arme. »2012 endet astrologisch die Ära der Fische, und es beginnt das Zeitalter des Wassermanns. Die Mayas haben in Ermangelung unserer Tierkreiszeichen das Ganze leider als das Ende der Welt missverstanden. 2012 ist lediglich ein astrologischer Wendepunkt. Und jetzt kommen Sie mir nicht mit besonderen Sonnenaktivitäten und ähnlichen Desasterfantasien. Sie werden auch 2013 erleben.« »Ja, vielleicht, aber ohne Pedro!«, heulte Veronika fast unverständlich in die vor das Gesicht gepressten Hände. »Ist Pedro etwas zugestoßen?«, fragte ich voller Anteilnahme, den Sprechstab immer noch in Händen. »Hoffentlich! Ich wünsche diesem schwanzgesteuerten Windhund einen schönen Unfalltod! Jawohl!« »Ja, aber warum das denn? Sie warten doch auf Pedros Wiederkehr«, erkundigte sich Hein überrascht. »Das Schwein hat mich sitzen lassen! Ich war heute am Flughafen, um diesen Gefühlskrüppel abzuholen. Er sollte gemeinsam mit einem Arbeitskollegen ankommen. Den hab ich auch getroffen. Pedro hat mir nicht mal nen Brief zum Abschied geschrieben. Sein Kollege, ein gewisser Ingo, hat mir nur gesagt, ich brauche nicht auf Pedro zu warten, der komme auch nicht mit der nächsten Maschine. Pedro habe sich in eine Sambatänzerin verliebt und bliebe in Südamerika!« Hein überkam ein Gefühl des Mitleids. War er doch selbst vor einigen Monaten von seiner langjährigen Freundin verlassen worden. Er stimmte ein Klagelied über gescheiterte Beziehungen und verzehrendes Vermissen an. Beide suhlten sie in Selbstmitleid, und nach wenigen Minuten hielt Hein Veronika sogar tröstend im Arm. »Von Ihnen geht so eine Stärke aus, die so ein warmes Gefühl der Geborgenheit vermittelt. Wie Sie mich eben so dominant angesprochen haben, das hat mir Halt und Zuversicht gegeben«, schniefte Veronika in Heins Schulter. Hein löste sich aus der mittlerweile etwas zu innigen Umarmung, tätschelte noch väterlich Veronikas Schulter, als diese zum entscheidenden Schlag ausholte: »Könnten Sie sich vorstellen, mal mit mir zu einer meiner Selbsthilfegruppen zu gehen? Ich würde gern mehr Zeit mit Ihnen verbringen. Ich verspüre plötzlich eine unglaubliche Zuneigung zu Ihnen. Jeden Morgen ziehe ich eine Engelkarte aus meinem Engeltarot. Da stand heute geschrieben: >Das Leben wird dich unverhofft beschenken!< Damit sind doch Sie gemeint, das ist doch ein Zeichen, oder nicht?« Und ob das ein Zeichen ist, dachte ich mir, ein deutliches Zeichen dafür, dass wir schon viel zu lange hier waren. »Rettungsdienstlich können wir nicht viel für Sie tun. Es wird dann auch Zeit für uns, andere Patienten brauchen schließlich auch noch unsere Hilfe!«, versuchte ich, die Szene zu beenden. Hein, der inzwischen seine gefühlsduseligen Momente überwunden hatte, schaute mich dankbar an. Er war blass geworden. »Sie können doch jetzt nicht gehen! Gerade wo ich meine alte Beziehung überwinde und mich neu verliebe - ich mache uns schnell noch einen Tee, dann können wir uns gleich besser kennenlernen.« Veronika verschwand in der Küche. Wir nutzten diesen Moment: »Wir sind dann weg - Alles Gute!«, mit diesen Worten schob ich den armen Hein ins Treppenhaus und zog die Wohnungstür hinter uns zu. »Was war das denn gerade für ne Nummer?«, fragte ich Hein entsetzt. »Ich weiß auch nicht! Auf einmal tat sie mir schrecklich leid, ich wollte doch nur trösten, ich hatte doch keine Ahnung.« »Dir ist schon klar, dass die Gute sich gerade unsterblich in dich verliebt hat und dass wir für unseren Rettungswagen am besten gleich einen Dauerparkplatz für diese Adresse beantragen!«, schimpfte ich. Hein nickte stumm. Die nächsten Wochen wurden schwierig. Hatten sich die bisher
Weitere Kostenlose Bücher