Scheherazade macht Geschichten
gekommen?«
»Genau«, bestätigte Marjanah. »Solche geheimen Zugänge scheint es überall in der Höhle zu geben. Es ist sehr leicht, hier hereinzugelangen.«
Und Prinzessin Badabadur fügte noch hinzu: »Aber zumindest zu Mordrags Zeiten war es noch unmöglich, wieder hinauszugelangen.«
Noch immer strömten die Truppen Shahzamans und Shahryars aus dem Loch in der Erde. Scheherazade vermutete, daß die Sultana jeden verfügbaren Mann mitgebracht hatte. Wenn das zutraf, war vielleicht auch ein gewisser tapferer, gutaussehender und in manch anderer Beziehung begehrenswerter Wachposten dabei. Ach ja, seufzte Scheherazade, wenn das Schicksal ihr günstig gestimmt war, würde sie ihn vielleicht noch einmal vor ihrem Tod sehen.
Doch so durfte sie nicht denken! Die Alte Weise hatte ihr bestimmte Ratschläge gegeben, die Scheherazade wiederum auf bestimmte eigene Ideen gebracht hatten. Sie wußte sehr wohl, daß es in der Macht einer guten Erzählerin lag, Tatsachen und Meinungen so hinzubiegen, daß sie auf das gewünschte Ende der Geschichte hinausliefen. Scheherazade hoffte, daß sie einige dieser schwer erworbenen Fähigkeiten dazu nutzen konnte, das Schicksal, das ihre Feinde ihr zugedacht hatten, abzuändern.
Soweit sie es überblicken konnte, drohte ihr nicht von einer oder zwei, sondern gleich von drei Seiten der Tod. Außerdem war sie von Hunderten einsamer Frauen umgeben, von denen viele jahrelang in Gefangenschaft gelebt hatten, sowie von zahlreichen Soldaten und den Überbleibseln einer Bande von vierzig Räubern und Halsabschneidern. Und alle schienen untereinander verfeindet zu sein.
Das bedeutete, daß im Grunde alles nach Plan verlief – dank gewisser schriftlicher Anweisungen, die sie ihren Gefährten hatte zukommen lassen. Und doch fehlte noch eine letzte Sache!
Achmed, Aladin und Ali Baba versammelten sich um Scheherazade. Wenige Augenblicke später gesellte sich auch Sindbad zu ihnen und murmelte irgend etwas von seiner Suche nach Fatima als Entschuldigung. Sie alle waren, dank ihrer zahlreichen Abenteuer, geübte Schwertkämpfer und in der Lage, zumindest den ersten Ansturm der Soldaten abzuwehren. Was nicht heißen sollte, daß Scheherazade einen solchen Vorstoß erwartete. Und falls Sulima und die Sultana sie angriffen, würde das sowieso mit Hilfe schwärzester Magie geschehen.
»Ich habe keine Lust mehr, meine Zeit mit einem närrischen, aufgeblasenen Dschinn zu vergeuden«, verkündete Sulima. »Ich werde nun einen Fluch aussprechen, der Scheherazade in eine Schnecke verwandelt, die ich unter meinen Füßen zertreten kann!«
»Niemals wirst du diesen Spruch vollenden, o niederträchtige Hexe«, erwiderte die Sultana, »denn ich habe inzwischen beide meiner Söhne mit verzauberten Schwertern ausgestattet, und eines davon wird dich niederstrecken, während das andere Scheherazade aufschlitzt.«
Scheherazade sah, daß sowohl Shahzaman als auch Shahryar eines jener Schwerter trugen, die in der Waffenkammer ihres Ehemanns ein solch fatales Eigenleben entwickelt hatten. Shahzaman starrte die Waffe in seinen Händen unverwandt an. Sein Haar klebte ihm schweißnaß am Kopf.
Shahryar dagegen schwang sein Schwert in wildem Eifer, was viele der Soldaten, die das Pech hatten, in seiner Nähe zu stehen, bereits das Leben gekostet hatte. Der König lächelte dabei zufrieden. Speichel tropfte ihm aus dem Mund.
»KEINER VON EUCH RÜHRT SICH VON DER STELLE!« befahl Ozzieund legte seine gewaltige Stirn in tiefe Falten. Sulima verharrte mitten in der Bewegung. Scheherazade konnte den Zorn in ihren Augen aufblitzen sehen, doch Ozzies Magie bannte sie auf die Stelle. Auch die Sultana und ihre beiden Söhne verharrten wie angewurzelt, und so sehr sich Shahryar und Shahzaman auch bemühten, ihre Schwerter zu schwingen, sie bewegten sich doch keinen Millimeter.
»SO! ZUMINDEST FÜR DEN AUGENBLICK HÄTTEN WIR DAMIT WIEDER ETWAS RUHE UND FRIEDEN«, sagte Ozzie. »SCHEHERAZADE, DU DARFST JETZT MIT DEINER GESCHICHTE FORTFAHREN.«
Endlich war es soweit! Der letzte Teil ihres Planes konnte beginnen.
Und Scheherazade fing an, die wichtigste Geschichte in ihrem jungen Leben zu erzählen.
Das 33. der 35 Kapitel,
in dem unsere Heldin ein Abenteuer zu erzählen beginnt,
das jeder Beschreibung spottet.
DIE GESCHICHTE VOM GROSSEN DSCHINN OZZIE, DEM VEREHRUNGSWÜRDIGSTEN ALLER ÜBERNATÜRLICHEN WESEN, UND WIE ER ALLE SEINE NICHTSWÜRDIGEN GEGNER BESIEGTE, SO DASS SCHEHERAZADE ENDLICH DIE NÖTIGE RUHE FAND,
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