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Scheidung auf Griechisch

Scheidung auf Griechisch

Titel: Scheidung auf Griechisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Reid
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anfreundete, weil wirtschaftliche Überlegungen ihn dazu zwangen, kam für sie nicht überraschend.
    Trotzdem konnte Isobel nicht verhindern, dass ihre Augen sich erneut mit Tränen füllten. Wie gern hätte sie Leandros nicht nur einen, sondern vier oder fünf Söhne und genauso viele Töchter geschenkt! Doch Leandros hatte keine Kinder gewollt – zumindest nicht von ihr. Offenbar schien ihm eine schwarzhaarige Schönheit aus einer der angesehensten Dynastien Griechenlands als Mutter seiner Kinder geeigneter als eine rothaarige Engländerin aus einfachen Verhältnissen, die seinen hohen Ansprüchen bestenfalls im Bett …
    Der bloße Gedanke drohte Wunden in ihr aufzureißen, von denen sie geglaubt hatte, sie wären längst verheilt. Aus Angst, in der Enge ihres Hotelzimmers verrückt zu werden, beschloss Isobel, nach Piräus zu fahren und sich ziellos durch den Hafen treiben zu lassen.
    In dem einen Jahr, das sie in Athen gelebt hatte, war sie häufig dort gewesen – und zwar ohne ihren Mann, der vor lauter Terminen nicht die Zeit fand, sich um sie zu kümmern. So war ihm völlig entgangen, dass sie die Stadt auf eigene Faust erkundete und dabei Eindrücke sammelte, die ihm und seiner Familie als Angehörige der Oberschicht zwangsläufig verborgen bleiben mussten.
    Leandros hatte gerade den Motor seines Ferrari abgestellt, als die Hoteltür aufging und Isobel ins Freie trat. Einen Moment schien sie unschlüssig, welche Richtung sie einschlagen sollte. Schließlich setzte sie ihre Sonnenbrille auf und machte sich auf den Weg.
    Auf den Weg wohin?, fragte sich Leandros, als er der gertenschlanken, anmutigen Gestalt nachsah, deren Pferdeschwanz bei jedem Schritt leicht wippte. Wie oft hatte er Isobel früher heimlich beobachtet, wenn sie die Villa auf dem Lykavittos mit unbekanntem Ziel verließ! Und wie damals trug sie jene Kleidung, die er, zunächst im Spaß, später im Ernst, ihren “Kampfanzug” genannt hatte. Die olivgrüne Baumwollhose hatte sie immer dann aus dem Schrank geholt, wenn sie nach einem Ehekrach Reißaus genommen hatte und stundenlang in der Stadt herumgezogen war, ohne ihm je zu erzählen, was sie dort gemacht hatte.
    Doch er hatte nicht das Recht, sich zu beklagen, denn dass es in erschreckender Regelmäßigkeit zu heftigen Wortgefechten gekommen war, hatte er durch sein Verhalten heraufbeschworen. Jede Bitte Isobels hatte er als Zumutung empfunden und entsprechend ungehalten darauf reagiert, dass sie ihm kostbare Zeit stehlen wollte. Erst viel später hatte er begriffen, dass nicht Aufsässigkeit, sondern Einsamkeit sie aus dem Haus trieb.
    Einem Impuls folgend, stieg Leandros aus dem knallroten Sportwagen und legte das Jackett und die Krawatte ab, um sich an Isobels Fersen zu heften.
    Ein entsetzlicher Gedanke hielt ihn davon ab. Sicher war sie auf direktem Weg zu ihrem Geliebten gegangen und hatte ihm unter Tränen berichtet, in welchem Fiasko das Wiedersehen mit ihrem Ehemann geendet hatte. Möglicherweise hatte sich der neue Mann an ihrer Seite aber als genauso schlechter Zuhörer erwiesen wie der alte und auf ihren Kummer dieselbe Antwort gehabt. Die Vorstellung, dass Isobel direkt aus dem Bett dieses Muskelprotzes kam, drohte ihn um den Verstand zu bringen. Einen Moment erwog Leandros ernsthaft, ihre Abwesenheit zu nutzen, um sich ihren Liebhaber vorzuknöpfen.
    Doch als sie um eine Häuserecke bog und aus seinem Blickfeld verschwand, entschied er sich anders. Rache erforderte einen kühlen Kopf, und solange er rasend vor Eifersucht war, konnte er keinen klaren Gedanken fassen.
    Isobel verließ die U-Bahn bereits eine Station vor dem Hafen und ging den restlichen Weg zu Fuß. Mit jedem Schritt legte sich ihre Anspannung, und als sie schließlich ihr Ziel erreichte, hatte sie die Geschehnisse des Vormittags zwar nicht vergessen, aber doch wenigstens verdrängt.
    Eine Stunde lang durchstreifte sie ziellos den Hafen von Piräus und beobachtete die Fischer, die ihren Fang von den farbenfrohen Kuttern luden. Touristen verirrten sich nur selten hierher, und selbst vielen Einheimischen war der Ort nicht geheuer. Sie hingegen liebte es, in das rege Treiben einzutauchen und sich als Teil einer Welt zu fühlen, die ihr viel vertrauter war als das Leben an den Hängen des Lykavittos oder in Kolonáki, wo die Villen der Superreichen standen. Hier hatte sie nicht nur Land und Leute, sondern auch deren Sprache kennen und schätzen gelernt.
    Wenn es nach Leandros und seiner Familie gegangen wäre,

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