Scheidung auf Griechisch
auf ihren, ehe er sie zum Bett trug. Nicht einmal der Schlaf, der sie irgendwann übermannte, konnte sie trennen, und auch unter die Dusche gingen sie gemeinsam. Erst als die Sonne schon hoch am Himmel stand und es Zeit wurde, sich anzuziehen, ging Isobel schweren Herzens in ihr Zimmer.
Als sie wenige Minuten später die Terrasse betrat, holte die raue Wirklichkeit sie jäh wieder ein. Leandros trug einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine Krawatte – und das konnte nur bedeuten, dass er ins Büro wollte.
“Nur für einige Stunden”, versicherte er, nachdem sie ihn darauf angesprochen hatte. “Ich bin selbst erst vor kurzem von einem langen Auslandsaufenthalt zurückgekommen. Und als hätte ich nicht schon genug zu tun, hält mich auch noch Nikos’ Hochzeit auf Trab.”
Die Anspielung auf seine Zeit in Spanien überhörte sie geflissentlich. “Wann findet die Hochzeit denn statt?”, fragte sie Leandros und setzte sich ihm gegenüber an den reich gedeckten Frühstückstisch.
“Nächste Woche”, erwiderte er und stand auf, um ihr Kaffee einzuschenken. “Bis dahin stehen eine Unmenge Bälle und Empfänge ins Haus. Da unser Vater tot ist, erwartet man von mir, dass ich an jedem teilnehme. Deshalb war ich gestern Abend auch bei meiner Mutter”, fügte er mit einem jungenhaften Lächeln hinzu, ehe er wieder Platz nahm. “Für heute haben Nikos’ künftige Schwiegereltern eingeladen. Willst du nicht mitkommen?”
Isobel brauchte nichts zu sagen, um ihm klarzumachen, was sie von diesem Vorschlag hielt. Nur eine passende Ausrede schien ihr noch zu fehlen.
Die hatte sie jedoch gefunden, als sich ihre Mutter, auf Krücken gestützt, ihnen näherte. Noch bevor sie den Tisch erreicht hatte, stand Isobel auf und rückte einen Stuhl für sie zurecht.
“Guten Morgen”, begrüßte Leandros seine Schwiegermutter und beobachtete betroffen, welche Mühe es sie kostete, Platz zu nehmen.
“Guten Morgen”, erwiderte Silvia. “Bevor du etwas Falsches sagst, sag lieber gar nichts.”
Er musste sich eingestehen, dass ihre Warnung nicht ganz unberechtigt war. Die liebevolle Art, mit der Isobel ihrer Mutter half, ließ sich wirklich nicht an einem Tag erlernen. Natürlich konnte er nicht von ihr erwarten, dass sie Silvia den ganzen Abend allein ließ. Aber gab es denn keine Möglichkeit, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen?
“Ach, Silvia”, sagte er betont beiläufig, als Isobel ihm wieder gegenübersaß. “Isobel und ich müssen heute Abend auf einen Ball. Du würdest uns eine große Freude machen, wenn du uns begleiten würdest.”
“Ein Ball?”, fragte sie ungläubig. “Das wäre ja wunderbar!”
Mit nichts anderem hatte er gerechnet. Vor dem Unfall war Silvia eine begeisterte Tänzerin gewesen, und er hatte sich genau zur rechten Zeit daran erinnert.
Nur einer dachte sichtlich anders darüber, denn Isobel warf ihm einen vernichtenden Blick zu. “Schlag dir das aus dem Kopf”, sagte sie schroff. “In unserem Gepäck befindet sich nichts, womit wir uns bei einem solchen Anlass sehen lassen könnten.”
“Wenn’s weiter nichts ist …” Leandros griff nach seinem Handy und stellte sich ans Geländer. “In einer Stunde kommt ein Damenschneider mit einer Auswahl aus seiner Kollektion vorbei”, erklärte er triumphierend, als er das Telefonat nach kaum einer Minute beendet hatte. “Sucht euch in Ruhe etwas aus. Und bitte achtet nicht auf den Preis”, fügte er hinzu, obwohl er wusste, dass er damit endgültig Isobels Zorn auf sich zog.
“Das ist nicht fair!”, protestierte sie prompt, wenn auch vorsichtshalber auf Griechisch. “Du weißt genau, warum ich nicht mitwill.”
“Umso wichtiger ist es, dass du hingehst”, antwortete er. “Wenn man vom Pferd gefallen ist, soll man ja auch gleich wieder aufsteigen.”
Ehe sie etwas erwidern konnte, beugte er sich hinunter und verabschiedete sich mit einem Kuss auf die Wange von ihr. “Ich muss jetzt dringend los”, sagte er zu seiner Schwiegermutter. “Wir sehen uns später.”
“Täusche ich mich, oder willst du nicht zu dem Ball?”, fragte Silvia, nachdem er gegangen war.
Die Frage machte Isobel verlegen. Warum sie Leandros vor drei Jahren verlassen hatte, wusste ihre Mutter bis ins letzte Detail – zumindest soweit es ihn betraf. Die unrühmliche Rolle, die seine Familie dabei gespielt hatte, hatte sie jedoch tunlichst verschwiegen.
“Das Verhältnis zu Leandros’ Familie war nicht frei von Spannungen”, erwiderte sie
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