Scheidung auf Griechisch
sagte er ernst und strich ihr das Haar aus der Stirn. “Wenn wir es uns nicht unnötig schwer machen wollen, sollten wir dringend miteinander reden, agape mou.”
Erst das Kosewort machte ihr klar, worüber er sich unterhalten wollte. “Nicht jetzt”, wies sie den Vorschlag zurück, denn sie fühlte sich dem Thema nicht gewachsen.
“Du kannst nicht ewig davor weglaufen”, rief er ihr nach, als sie das Bett verließ und ihr Nachthemd überzog. “Wenn wir uns der Vergangenheit nicht stellen, haben wir auch keine Zukunft.”
Isobel traute ihren Ohren nicht. Hatte Leandros es wirklich gewagt, sie zu beschuldigen? Weggelaufen war sie nur ein einziges Mal in ihrem Leben – und zwar vor ihm. Auch der Grund dafür war ihr noch schmerzlich bewusst.
“Mich kannst du damit kaum meinen!”, platzte sie heraus, ohnmächtig vor Wut und Enttäuschung. “Schließlich wolltest
du
unser Kind nicht!”
“Das stimmt doch gar …”
“Und ob es stimmt!”, fiel sie ihm hasserfüllt ins Wort. “Es ist aber erst die halbe Wahrheit, denn kaum war ich schwanger, wolltest du nicht einmal mehr mich.”
“Du weißt ja nicht, was du …”
“Ich war dir lästig, und das hast du mir deutlich zu verstehen gegeben”, unterband sie seinen Einwand. Er hatte diese Auseinandersetzung gewollt, und in einem Punkt musste sie ihm Recht geben. Es wurde höchste Zeit, dass einige Dinge beim Namen genannt wurden, ehe sie denselben Fehler ein zweites Mal machten und perfekten Sex mit Liebe verwechselten.
“Mir ist bis heute nicht klar, warum du mich überhaupt nur geheiratet hast”, sagte Isobel bitter. “Was dich an mir am meisten interessierte, hast du doch schon nach wenigen Stunden bekommen. Alles andere hättest du uns lieber ersparen sollen – und vor allem deiner Familie”, fügte sie verächtlich hinzu. “Thea hat schon nach einer Woche eingesehen, wie aussichtslos es ist, mir Manieren beibringen zu wollen.”
“Sie wollte dir nur helfen, dich in einer fremden Welt zurechtzufinden”, nahm Leandros seine Mutter in Schutz.
“Dressieren wollte sie mich!”, widersprach Isobel energisch. Allmählich war sie es leid, dass alles, was sie sagte, an ihm abprallte. Verstand er das unter “sich der Vergangenheit stellen”? “Zum Glück habe ich auf meinen Streifzügen durch die Stadt Menschen kennen gelernt, die mich so akzeptiert haben, wie ich bin.”
“Vassilou und Konsorten.”
“Woher nimmst du nur die Stirn, dich für etwas Besseres zu halten?”, fragte sie empört. “Natürlich haben sie weniger Geld als du, und so geschliffen reden können sie vielleicht auch nicht. Aber keiner von ihnen käme auf die Idee, seine Frau, die soeben ein Kind verloren hat, mit den Worten zu trösten: ‘Vielleicht ist es das Beste so.’”
Dieses Mal widersprach Leandros nicht. Stattdessen verließ er das Bett, zog seinen Morgenmantel über und stellte sich ans Fenster. Draußen war es stockfinster, und was er sah, war Isobel ein Rätsel. Doch es interessierte sie auch nicht, denn sie war zu sehr mit den quälenden Erinnerungen beschäftigt, die er heraufbeschworen hatte.
“Ich weiß ja, dass ich mich unverzeihlich benommen habe”, sagte er unvermittelt.
“Umso besser”, erwiderte sie unversöhnlich. “Dann wird es dich nicht überraschen, dass ich nicht vorhabe, dir zu verzeihen.”
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte Isobel sich um und ging ins Bad. Die Tür ließ sie wohlweislich unverschlossen. Alles andere würde Leandros ihr ohnehin nur als Fluchtversuch auslegen.
Noch ehe sie das Wasser in der Dusche aufdrehen konnte, stand er auf der Schwelle. “Versuch wenigstens, mich zu verstehen”, bat er sie bedrückt. “Du warst am Boden zerstört, und ich wusste beim besten Willen nicht, wie ich dir helfen sollte.”
“Dafür warst du doch viel zu beschäftigt”, erklärte sie, ohne sich umzudrehen. “Wenige Monate vorher hattest du die Leitung des Konzerns übernommen, und dahinter musste alles zurückstehen – selbst dein eigenes Kind”, fügte sie in dem Wissen hinzu, dass sie damit seinen Widerspruch provozierte.
Umso überraschter war sie, als er sich hinter sie stellte und ihr zärtlich die Hände auf die Schultern legte. “Ich gebe ja zu, dass ich dich sträflich vernachlässigt habe”, gestand er. “Und vielleicht habe ich mich unbewusst gegen das Kind gesträubt.”
Dass er sich zu solchen Worten durchrang, traf sie gänzlich unvorbereitet. Unwillkürlich drehte sie sich um und sah sprachlos zu ihm
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