Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind
mit ihm auf die Malediven gereist. Sie wusste, er hatte sie mehrmals verlassen, sie hatte Kenntnis von seinen Abenteuern und von der Tatsache, dass er sie mit seiner Exfreundin betrogen hatte. Die Frage, warum sie ihm nachgegeben hatte, kann sie durchaus erklären. Da fallen stets die gleichen Worte, wird von »Kämpfen für die Beziehung« gesprochen, davon, »zu jemandem zu stehen, auch wenn es nicht so läuft«, und argumentiert, »er ist eigentlich ja ganz anders«. Nichts ist zu banal, um als Ausrede dankbar angenommen zu werden. Wenn Frauen die Augen verschließen wollen, dann machen sie nicht nur die zu, sie verkleben sich auch noch die Ohren. Freunde und Freundinnen kommen nicht mehr an die betroffene Person heran, Ratschläge helfen nicht. Es sind typische Symptome einer Sucht, die sich wie bei Alkoholikernauch auf nahestehende Familienmitglieder oder den Partner übertragen. Sie werden zu sogenannten Co-Abhängigen oder Co-Süchtigen. Also nicht nur der Täter ist süchtig, sondern auch das Opfer gerät in eine Abhängigkeit. Rationale Argumente, die von außen vorgetragen werden, greifen nicht mehr. Möglicherweise werden sie noch erfasst, umsetzen kann das Opfer die Empfehlungen und Ratschläge jedoch nicht. Im Gegenteil: Misstrauen, Angst und Wut richten sich nicht mehr gegen den Täter, sondern gegen jene, die es eigentlich »gut« meinen. Viele Freundinnen, die im Übrigen später gern behaupten, der Typ sei ihnen ja von Anfang an komisch vorgekommen, kennen diese Situation. Sie werden plötzlich zum Wutobjekt des Opfers, geraten mit diesem in Streit, und nicht selten zerbrechen langjährige Freundinnenbeziehungen, weil das Opfer die beste Vertraute beschuldigt, zum Beispiel eigentlich selbst am Täter interessiert zu sein oder andere Motive zu haben. Viele nahestehende Personen resignieren gegenüber diesem Verhalten und ziehen sich zurück, weil ihnen die Struktur des Problems nicht als so offensichtlich krank erscheint, wie dies bei Alkoholismus, Drogen oder Essstörungen der Fall wäre. Damit gerät das Opfer in die Isolation und ist dem Täter noch schutzloser ausgeliefert.
Natürlich wuchs auf der einsamen Insel der Druck zwischen Gabriella und Matthias, sich mit den Geschehnissen auseinanderzusetzen. Streit und Versöhnung wechselten sich fast im Stundenrhythmus ab. Einer Trennung steht dabei gelegentlich auch im Weg, dass die Aggressivität,die ein derartiger Streitprozess mit sich bringt, eine erhebliche sexuelle Stimulanz darstellt. Diese sexuelle Attraktivität versperrt jedoch den klaren Blick auf die Dinge und erscheint als etwas Positives. Statt es als das zu sehen, was es ist – ein guter Fick –, neigen Frauen dazu, in diese Tatsache einen Beleg für »etwas Gutes an der Beziehung« hineinzuinterpretieren. Das hemmt die Entscheidung, auseinanderzugehen. Männer sind da weit weniger emotional und sehen in gutem Sex erst dann einen Wert, wenn sie ihn allein, im Bett liegend, wieder dringend brauchen. Dann scrollen sie durch die Telefonliste im Handy, in der auch noch die allerletzte Kellnerin aus dem letzten Urlaub mit den Jungs auf Kreta von vor zehn Jahren nicht gelöscht wurde, und beginnen einen Rundruf.
Erst als nach der Rückkehr von den Malediven die Exfreundin von Matthias bei Gabriella anrief, um zu fragen, ob sie schon wisse, wer Mara sei und welche Rolle diese in Matthias’ Leben spiele, kam es zur endgültigen Trennung. Auch das ist nicht ungewöhnlich. Serientäter wie Matthias fliegen erst dann endgültig auf, wenn sich die beteiligten Opfer untereinander verständigen. Bis dahin war er fast ausnahmslos in der Lage, die Situation zu befrieden, sei es durch noch so haarsträubende Ausreden und Erklärungen. Mara war eine weitere Leidenschaft von Matthias, ein Mädchen aus Stuttgart, von dem die beiden anderen bisher nichts gewusst hatten.
Während des Gesprächs wurde so etwas wie eine Strukturin Gabriellas Leben erkennbar, und es war möglich, Vergleiche zu anderen Beziehungen zu finden, die sie hatte. Diese unglaublich attraktive Frau wurde in ihren Beziehungen fast immer betrogen. Oftmals wurde sie durch Männer, mit denen sie in einem Fall sogar eine sehr lange, eheähnliche Verbindung hatte, zurückgewiesen und heftig verletzt. So erzählte sie mir von ihrem Verlobten, Richard König, einem Modefotografen, dessen eigentlicher Traum es war, ein angesehener Künstler zu sein, der aber sein Geld im Wesentlichen mit Modefotos für Versandhauskataloge verdiente.
Weitere Kostenlose Bücher