Schenk mir deinen Atem, Engel ...
Faith.“
Den Rest des Weges schwiegen sie.
„Da wären wir“, sagte Jake, als er den Wagen kurze Zeit später auf dem dunklen Parkplatz des Krankenhauses abgestellt hatte. Er atmete tief durch. „Komm, es wird Zeit.“
Faith wusste immer noch nicht genau, was er eigentlich vorhatte. Sofern er irgendeinen Plan besaß, hatte er bisher nichts darüber verlauten lassen. Und sie fragte sich ohnehin, wie ein solcher aussehen sollte. Es ging hier immerhin um ihren Bruder. Jake konnte ihn schließlich nicht einfach mitnehmen. Allein die Vorstellung war vollkommen absurd!
Doch da Jake sich darüber keine Gedanken zu machen schien, schüttelte auch Faith ihre Unsicherheit ab. Sie stieg aus dem Wagen und folgte Jake über den düsteren Parkplatz.
Faith schauderte, als sie an einer Stelle vorüberkamen, an der der Asphalt von einer schmierigen Schicht überzogen war. Jeder andere, der den Fleck zufällig sah, hielt ihn vermutlich für Teer oder Öl, doch Faith wusste es besser.
Es waren die Überreste des Werwolfs, der sie angegriffen und den Jake getötet hatte.
Sie zwang sich, den Blick abzuwenden. Wie von selbst griff sie nach Jakes Hand, und er umschloss sie mit seiner. Sofort fühlte sie sich ein wenig besser. Nicht sehr viel, aber der Unterschied war spürbar. Ihr Herzschlag beruhigte sich, und das beklemmende Gefühl, das sich wie eine Klammer um ihre Brust gelegt und unbarmherzig zugedrückt hatte, schwand allmählich.
Als sie die Eingangspforte der Klinik erreichten, blieb Jake stehen. Er nahm Faiths Hände und schaute ihr direkt in die Augen. „Hör zu, das was jetzt kommt, könnte ein wenig unangenehm für dich werden. Ich muss deinen Bruder mitnehmen und ihn zu den Angeli bringen. Ich wünschte, ich wüsste eine andere Lösung, aber im Augenblick wäre es einfach zu gefährlich, ihn hierzulassen.“ Er drückte ihre Hände. „Nicht nur für ihn – auch für alle Menschen in seinem Umfeld.“
Faith spürte, dass er die Wahrheit sagte. Er wollte das Richtige tun. Aber wie sollte das funktionieren?
Es würde tatsächlich unschön werden. Sehr sogar. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihren Eltern das alles erklären sollte. Wie konnte man etwas erklären, was man selbst nicht in vollem Umfang begriff? Das einem absurd und schrecklich vorkam, von dem man aber wusste, dass es trotzdem notwendig war?
Sie atmete tief durch und straffte die Schultern. „Also schön“, sagte sie und rang sich ein Lächeln ab. Sie fühlte, dass es ihr kläglich missglückte. „Es bringt wohl nichts, es länger hinauszuzögern. Gehen wir.“
Faith war froh darüber, dass Jake ihre Hand nicht losließ, als sie die fast menschenleere Lobby durchquerten und zu den Aufzügen gingen. Sie erinnerte sich an die kurze, hastig gekritzelte Nachricht, die sie ihren Eltern hinterlassen hatte. Es würde ein ganz schönes Durcheinander geben, wenn sie jetzt plötzlich wieder auftauchte. Natürlich nahm sie an, dass ihre Eltern froh und erleichtert sein würden, sie wohlbehalten zurückzubekommen. Aber sie würden auch Fragen stellen. Viele unangenehme Fragen, auf die sie keine oder keine auch nur annähernd befriedigende Antwort wusste.
Die Fahrt mit dem Lift schien sich eine kleine Ewigkeit hinzuziehen – doch schließlich stoppte die Kabine mit einem sanften Ruck, und ein leises Pling verkündete ihre Ankunft im dritten Stockwerk des Gebäudes.
Faith fühlte sich zittrig, und ihr war ein wenig schwindelig, was Jake offenbar bemerkte, denn er drückte ihre Hand, so, als wollte er ihr mit dieser Geste neue Kraft geben. Es funktionierte – zumindest ein bisschen. Sie fühlte sich wenigstens nicht mehr, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen, als sie hinaus auf den langen Krankenhausflur traten.
Schon von Weitem hörte sie aufgeregtes Stimmengewirr.
„Aber wie kann das möglich sein?“ Faith erkannte die Stimme ihres aufgebrachten Vaters. „Als ich vor einer halben Stunde den Raum verließ, war er noch da, und jetzt ist er weg! Zuerst meine Tochter, und nun auch noch mein Sohn? Was ist das hier? Ein Krankenhaus oder ein Kinder verschlingendes schwarzes Loch?“
Das Schluchzen, das auf diesen verbalen Ausbruch folgte, stammte eindeutig von ihrer Mutter. Es war ein Laut – so voller Sorge und Verzweiflung, dass sich Faiths Magen schmerzhaft zusammenkrampfte. Erst dann wurde ihr bewusst, was ihr Vater gerade gesagt hatte.
Alarmiert schaute sie Jake an – das ungläubige Begreifen, das sich in dessen Miene abzeichnete,
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