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Schenk mir deinen Atem, Engel ...

Schenk mir deinen Atem, Engel ...

Titel: Schenk mir deinen Atem, Engel ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Kilborne
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zahllosen Selbsthilfegruppen, zu denen ihre Eltern sie geschleppt hatten, waren ihr einige Gleichaltrige begegnet, die ständig bei irgendwelchen Mutproben ihr Leben riskierten. Sie lebten nach dem Motto, dass sie ohnehin nichts mehr zu verlieren hatten. Doch das sah Faith ein wenig anders. Sie wollte in der kurzen Zeit, die ihr noch blieb, etwas erreichen.
    Viele hielten sie für verrückt, doch sie wollte unbedingt an die Uni und studieren. Versuchen, ein ganz normales Leben zu führen, soweit das in ihrer Situation möglich war. Neue Freunde finden und – wer konnte das schon sagen? – womöglich sogar einen Freund.
    Ein leises Rascheln neben ihr riss sie aus ihren Gedanken. Sie blinzelte und erkannte eine Möwe, die sich auf dem Geländer der Veranda niedergelassen hatte.
    „Na, du?“, sagte Faith lächelnd. „Kannst wohl auch nicht schlafen, wie?“
    Der Vogel gab ein heiseres Krächzen von sich, ehe er seine Schwingen ausbreitete und flatternd am Nachthimmel verschwand.
    Nachdenklich schaute Faith ihm hinterher. Vielleicht sollte sie die Möwe als Zeichen nehmen, dass es nun tatsächlich auch für sie Zeit wurde, ihre Flügel auszuprobieren. Bisher hatte sie noch gezweifelt, ob das mit der Uni wirklich eine gute Idee war, doch jetzt … Alt genug war sie schließlich, um endlich auf eigenen Beinen zu stehen.
    Bestärkt in ihrem Entschluss, ging sie zurück ins Haus. Sie sollte besser zusehen, dass sie noch ein paar Stunden Schlaf bekam, ehe sie morgen in aller Herrgottsfrühe rausmusste, um ihre Therapiestunde zu absolvieren.
    Nur zwanzig Meter Luftlinie vom Bungalow der Moninghams entfernt gab es ein leer stehendes Haus, dessen Besitzer vor ein paar Jahren pleitegegangen war. Er hatte daraufhin versucht, es zu verkaufen – jedoch vergeblich, was angesichts des bedauernswerten Zustands der Immobilie nicht verwunderlich war. Das Dach war löchrig wie ein Schweizer Käse, und in einer Zwischenwand im hinteren Teil des Gebäudes hatten sich Ratten heimisch eingerichtet. Der Kamin sowie die Abflussrinne für das Regenwasser waren von alten Vogelnestern verstopft. Und unter den abblätternden Tapeten in den Zimmern kam schwarzer Schimmel zum Vorschein.
    Die meisten der Sommergäste, die regelmäßig herkamen, ignorierten das alte Rochester-Haus, wie es von den Einheimischen nach seinem ursprünglichen Erbauer genannt wurde, soweit es ging. Auf Urlaubsschnappschüssen, die im Bekanntenkreis herumgezeigt wurden, war es so gut wie nie zu sehen. Es war der Schandfleck der Gegend, und höchstens ein paar Kinder verirrten sich ab und an her, um zu beweisen, wie mutig sie waren. Denn irgendjemand hatte einmal das Gerücht in die Welt gesetzt, dass im Rochester-Haus in der Nacht ein Geist umging.
    Unter solchen Umständen war es nicht weiter ungewöhnlich, dass keinem auffiel, dass das Gebäude seit einigen Tagen wieder bewohnt wurde. Vor allem, da der neue Bewohner alles tat, um möglichst nicht aufzufallen.
    Sein Name war Jake. Jacobus eigentlich, aber die Menschen schienen generell ein Faible für Abkürzungen zu haben, und inzwischen war er es müde, sie ständig zu korrigieren.
    Jetzt stand er auf der Veranda des Rochester-Hauses und blickte hinüber zu der Stelle, wo das Mädchen gerade noch gestanden hatte. Obwohl es längst fort war, konnte er aus irgendeinem Grund nicht aufhören, dorthin zu starren. Das Bild der jungen Frau hatte sich förmlich in seine Gedanken eingebrannt. Das hellblonde Haar, das leicht in der Meeresbrise wehte, die blasse Haut, ihre fein geschnittenen Gesichtszüge, das weiße Nachthemd, über dem sie eine verblichene Jeansjacke trug … Jake spürte, wie jeder Muskel in seinem Körper bis aufs Äußerste gespannt war, und das hatte einen Grund.
    Bis vor wenigen Minuten hatte er nämlich noch keine Ahnung gehabt, warum er hier war. Er war einfach vor ein paar Tagen in diesem abrissreifen Haus aufgewacht und suchte seitdem nach einer Erklärung dafür, dass er sich ausgerechnet hier befand.
    Nun hatte er sie gefunden.
    Das Mädchen war die Erklärung.
    Das Mädchen, das zu finden seine Aufgabe war.
    Die reine Seele …
    Wieder rief Jake sich ihren Anblick in Erinnerung. Wie sie dagestanden hatte, rein und unschuldig, vom Mondlicht erhellt und vom Wind gestreichelt … Ein Mensch ohne Schuld und Sünde … Sie zu beschützen, das war nun seine Aufgabe. Er musste verhindern, dass sie den Häschern der Finsternis in die Hände fiel, denn die himmlischen Heerscharen brauchten diese reine

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