Schenk mir diese Nacht
zu tun haben ...
Sie hatte weder erwartet noch gewollt, dass sie sich in jemand verliebte, und schon gar nicht in jemand wie Jonathan. Und doch liebte sie ihn so sehr, dass sein plötzlicher Rückzug aus ihrem Leben sie zutiefst verunsicherte. Der charmante, fürsorgliche Mann, den sie schätzen gelernt hatte, war verschwunden, und an seine Stelle war ein Fremder getreten.
War das womöglich der echte Jonathan? Nein! Sie weigerte sich, das zu glauben.
Glücklicherweise kam in diesem Moment Jarrett mit dem Kaffee ins Zimmer, dicht gefolgt von Abbie.
Abbie schaute ihre Gäste sekundenlang prüfend an, dann lächelte sie herzlich. "Zwei Besucher an einem Abend", sagte sie fröhlich. "Ich dachte allmählich schon, ich hätte irgendeine ansteckende Krankheit statt nur ein Baby bekommen."
"Wahrscheinlich hat Jarrett dich von der Außenwelt abgeschirmt", meinte Jonathan spöttisch. "Du kennst doch seinen ausgeprägten Beschützerinstinkt."
Abbie schenkte ihrem Ehemann ein zärtliches Lächeln, die aufrichtige Zuneigung, die die beiden miteinander verband, war unübersehbar.
Angesichts dieser so offen zur Schau getragenen Liebe kämpfte Gaye mit den Tränen. Seit ihrer letzten Begegnung mit Jonathan hatte sie sich nicht mehr so elend gefühlt. Er konnte sie so unendlich glücklich machen, aber gleichzeitig besaß er die Macht, sie in tiefste Depressionen zu stürzen.
War Liebe immer so? Wahrscheinlich - wenn diese Liebe nicht erwidert wird, dachte sie traurig.
"Ich trinke nur meinen Kaffee." Sie nahm eine gefüllte Tasse entgegen. "Dann muss ich wirklich gehen. Morgen habe ich nämlich Frühdienst."
Da Jonathan hier war, wollte sie so schnell wie möglich aufbrechen. Sie durfte sich gar nicht ausmalen, was Abbie und Jarrett von seinem abweisenden Verhalten ihr gegenüber denken mochten, nachdem er sich ihr zuvor förmlich aufgedrängt hatte.
Oder kannten sie vielleicht die Gründe für seine Feindseligkeit?
Falls ja, war es noch wichtiger, dass sie sich bald
verabschiedete.
"Du brauchst dich nicht zu beeilen, Gaye", warf Jonathan ein, als er sah, wie sie den heißen Kaffee hinunterstürzte. "Ich fahre dich nach Hause."
"Nein!" rief sie erschrocken. "Das ist nicht nötig", fügte sie etwas ruhiger hinzu. "Es ist ein warmer Abend, ein kleiner Spaziergang zur U-Bahn wird mit gut tun."
"Mir gefällt es nicht, wenn du nachts allein durch die Straßen läufst", entgegnete Jonathan missbilligend.
"Gaye ist erwachsen, Jonathan", zitierte Jarrett spöttisch die Worte seines Bruders, bevor Gaye antworten konnte. "Ich bin sicher, dass sie es irgendwie schafft, allein nach Hause zu kommen."
Die beiden Brüder maßen einander mit Blicken. Gaye
beobachtete dieses stumme Duell und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass mehr hinter den scheinbar harmlosen Worten steckte, als sie ahnte. Dennoch war sie Jarrett für die Einmischung dankbar, denn sie hatte nicht die Absicht, sich von Jonathan nach Hause bringen zu lassen, zumal er sich offenbar kaum dazu überwinden konnte, mit ihr zu reden.
"Das bin ich", bestätigte sie betont lässig, stellte die Tasse ab und stand auf. "Es war schön, Sie beide wiederzusehen", versicherte sie ihren Gastgebern, wobei sie es sorgsam vermied, in Jonathans Richtung zu blicken. Sie war nämlich keineswegs erfreut, ihn zu sehen, solange er ihr gegenüber nicht einmal ein Mindestmaß an Höflichkeit aufbrachte. "Und das Baby ist entzückend."
Abbie schaute Jarrett an. "Das Baby ist einer der Gründe, warum wir Sie eingeladen haben. Jarrett und ich möchten, dass Sie Conors Patin werden. Gemeinsam mit meiner Freundin Alison, die auch einen kleinen Sohn hat. Ich bin sicher, Sie beide werden sich gut verstehen."
Gaye traute ihren Ohren kaum. Ein verstohlener Seitenblick auf Jonathan zeigte ihr, dass er ebenso überrascht war. Und keineswegs erfreut. Das war nicht verwunderlich. Sein Benehmen in den letzten Tagen bewies, dass er sie so wenig wie möglich in der Nähe seiner Familie haben wollte. Als Patin seines Neffen Conor würde sie Jonathan notgedrungen häufiger begegnen, als ihm lieb war.
"Ihre Freundin Alison ist gewiss reizend, aber ..."
"Bitte lehnen Sie nicht ab", bat Abbie rasch. "Denken Sie erst einmal darüber nach."
"Wir würden uns wirklich über Ihre Einwilligung freuen, Gaye", sagte Jarrett.
Gaye sah Jarrett zweifelnd an. Anfänglich hatte er sie ein wenig eingeschüchtert, doch heute Abend hatte sie sich in seiner Gesellschaft ausgesprochen entspannt gefühlt. Er
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