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Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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ab.
    »Dann muss Kolonie Beta ein sehr ungewöhnlicher Ort sein.«
    »Es ist einfach meine Heimat. Nichts Besonderes. Lausiges Klima.«
    »Das habe ich gehört.« Er hob einen Zweig auf und zog damit kleine Furchen in dem Boden, bis er abbrach. »Es gibt auf Kolonie Beta keine arrangierten Heiraten, nicht wahr?«
    Sie starrte ihn an. »Gewiss nicht! Was für eine bizarre Vorstellung. Das klingt für uns fast wie die Verletzung eines bürgerlichen Rechtes. Himmel – Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass es das auf Barrayar gibt?«
    »In meiner Kaste fast immer.«
    »Widerspricht da niemand?«
    »Sie werden nicht gezwungen. Arrangiert, gewöhnlich von den Eltern. Es – scheint zu funktionieren. Für viele Leute.«
    »Nun ja, ich nehme an, es ist möglich.«
    »Wie … hm … wie arrangiert ihr euch? Ohne Vermittler muss es ziemlich peinlich sein. Ich meine, jemanden abzulehnen, von Angesicht zu Angesicht.«
    »Ich weiß es nicht. Es ist etwas, das die Liebenden unter sich ausmachen, nachdem sie einander gewöhnlich schon eine ganze Zeit kennen und sich um eine Kinderlizenz bemühen wollen. Bei dieser Art von Vermittlung, die Sie da beschreiben, da muss es ja sein, wie wenn man einen völlig Fremden heiratet. Natürlich wäre das peinlich.«
    »Hm.« Er fand einen anderen Zweig. »Wenn in der Zeit der Isolation ein Mann auf Barrayar eine Frau aus der Kriegerkaste als Geliebte nahm, so galt dies als Diebstahl ihrer Ehre, und er musste dafür den Tod eines Diebes sterben. Eine Sitte, die mehr verletzt als respektiert wurde, bin ich mir sicher, obwohl sie ein beliebtes Thema für Dramen war. Heute sind wir so zwischendrin. Die alten Sitten sind tot, und wir versuchen, uns neue anzueignen, wie schlecht sitzende Kleider. Es ist schwer zu wissen, was überhaupt noch richtig ist.« Nach einem Moment fügte er hinzu: »Was hatten Sie erwartet?«
    »Von einem Barrayaraner? Ich weiß es nicht. Etwas Kriminelles, nehme ich an. Ich war nicht sonderlich scharf darauf, gefangengenommen zu werden.«
    Er schlug die Augen nieder. »Ich habe … verstanden, worüber Sie reden, natürlich. Ich kann nicht leugnen, dass es das gibt. Es ist eine Infektion der Vorstellung, die sich von Mann zu Mann ausbreitet. Es ist am schlimmsten, wenn sie sich von oben nach unten ausbreitet. Schlecht für die Disziplin, schlecht für die Moral … Am meisten hasse ich die Wirkung auf die jüngeren Offiziere, wenn sie dieser Einstellung in den Männern begegnen, nach denen sie sich formen sollten. Sie haben nicht das Gewicht der Erfahrung, sie in ihrem eigenen Denken zu bekämpfen oder zu erkennen, wann ein Mann die Autorität des Kaisers stiehlt, um seine eigenen Gelüste zu tarnen. Und so sind sie verdorben, noch bevor sie wissen, was geschieht.« Seine Stimme klang in der Dunkelheit sehr heftig.
    »Ich selbst hatte tatsächlich darüber nur vom Standpunkt des Gefangenen nachgedacht. Ich glaube, ich hatte Glück in der Wahl meiner Fänger.«
    »Solche Männer sind der Abschaum der Streitkräfte. Aber Sie müssen mir glauben, das ist nur eine kleine Minderheit. Obwohl ich nichts von denen halte, die vorgeben, es nicht zu sehen, und sie sind keine solche Minderheit wie … Aber täuschen Sie sich nicht. Es ist keine leichte Ansteckung, die man da bekämpfen muss. Aber von mir haben Sie nichts zu fürchten. Das verspreche ich Ihnen.«
    »Das hatte ich – schon herausgefunden.«
    Sie saßen eine Weile schweigend da, bis die Nacht aus den Niederungen heraufgekrochen kam und die letzten Türkistöne am Himmel verschlang und der Wasserfall im Sternenlicht perlte. Cordelia dachte, Vorkosigan sei eingeschlafen, aber er bewegte sich und sprach erneut. Sie konnte sein Gesicht kaum sehen, abgesehen von einem schwachen Schimmer aus dem Weiß seiner Augen und seiner Zähne.
    »Eure Sitten erscheinen mir so frei und gelassen. So unschuldig wie das Sonnenlicht. Kein Kummer, kein Schmerz, keine unwiderruflichen Fehler. Keine Jungen, die aus Angst kriminell wurden. Keine dumme Eifersucht. Kein Verlust der Ehre.«
    »Das ist eine Illusion. Man kann immer noch seine Ehre verlieren. Es geschieht nur nicht in einer einzigen Nacht. Es kann Jahre dauern, bis sie tropfenweise vertrocknet.« Sie hielt in der freundlichen Dunkelheit inne.
    »Ich kannte einmal eine Frau – eine sehr gute Freundin von mir. Im Erkundungsdienst. Sie war ziemlich – ungeschickt in gesellschaftlichen Dingen. In ihrer Umgebung schien jeder seinen Seelengefährten zu finden, und je älter sie wurde,

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