Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
quäle und dich töten will?«
»Ja.«
Er hielt ihren Blick fest, den sie erwiderte, doch dann schü ttelte er langsam den Kopf.
Vanessa wirkte plötzlich unruhig. »Lass mich gehen. Bi tte!«
»Ich weiß schon, du wirst auch niemandem etwas verraten. Spar dir das.«
»Ich hab dir nichts getan! Ich …«
Doch er unterbrach sie ungeduldig. »Es dreht sich nicht alles um dich, Vanessa Justine Seebusch.«
»Was soll das heißen?«
Thox wollte es ihr nicht sagen. Die Wahrheit würde sie zu sehr schockieren, und er hatte keine Lust, ihren hysterischen Anfall abzufangen. »Halt einfach dein Maul, geht das?« D emonstrativ schlug er das Buch auf.
»Hat es etwas mit Jonas zutun?«
Er machte eine abwertende Handbewegung. »Sei still.«
»Er wird dich dafür umbringen.«
Jetzt sah er doch auf. »Was?«
»Dafür, was du hier mit mir machst. Dafür wird er dich t öten.« Sie klang tatsächlich, als würde sie es glauben.
»Du irrst dich.«
»Er wird kommen, um mich zu retten, und dann wird er dich töten.«
Er legte das Buch zur Seite. »Das wird er nicht.«
»Wieso bist du dir so sicher?«
»Ich weiß es.«
»Das kannst du nicht.«
»Sprich nur von Dingen, von denen du Ahnung hast, k apiert? Also sei still.«
»Zwing mich doch dazu!«
War das eine Aufforderung? Thox sah Vanessa einen Augenblick an, wie sie ihn beinahe provokant beobachtete, dann hatte er genug. Er stand auf und ging einige Male an ihrem Fußende auf und ab, dann blieb er stehen und sah gnadenlos auf sie herab. »Du bist ein ahnungsloses, naives kleines Kind. Aber ich verrate dir, warum dein beschissener Superheld Jonas dich nicht retten wird:« Er machte eine Pause und blickte verbittert in Vanessas fragendes Gesicht. »Er weiß, dass du hier bist und dass ich dich umbringen werde. Jonas weiß Bescheid!«
Kapitel 9
Heute
Dienstag, 29. Juli
TAG 2
1:20 Uhr
S ein Gesicht, ganz nah an ihrem, seine hinreißenden Lippen streichelten zärtlich ihre Haut. Ihr Blick, festgehalten von seinen großen Augen, so blau und hell wie ein früher Sommerhimmel. Tief, sie waren so tief, tiefgründig, als kannten sie ein Geheimnis, von dem nur sie wussten, dass es existierte.
»Ich liebe dich«, sagte er leise mit seiner tiefen, vibrierenden Stimme, so sinnlich, dass es sie in ihrem Innersten erschütte rte. Er erschütterte sie. Tief. Und sie glaubte ihm.
»Ich liebe dich«, flüsterte Jonas, sein Mund dicht neben i hrem Ohr.
Schlagartig öffnete Vanessa ihre Augen als hätte sie jemand geohrfeigt. Schwüle Dunkelheit umhüllte sie, und sie versuchte sich zu erinnern, wo sie war. Stille.
Keine Geräusche.
Sie konnte nichts sehen. Ihre Augen waren an den Wimpern und in den Ecken verklebt. Hatte sie geweint? Nirgendwo war Licht. Absolute Finsternis, wie konnte das nur möglich sein? Stattdessen versuchte sie, ihren Körper zu spüren, wenn sie schon nichts sehen konnte. Sie lag auf dem Rücken, dessen war sie sich bewusst, seit sie erwacht war. Und doch war etwas seltsam. Sie versuchte, sich zu bewegen, nur ein leichtes Zucken ihrer Gliedmaßen, und da spürte sie es. Ihre Arme. Sie waren taub und dann auch wieder nicht. Denn wie konnte etwas taub sein, wenn sie doch Schmerzen empfand? Ihre Schultern fühlten sich an, als hätte ihr jemand gegen die Gelenke getreten, doch das war nicht geschehen. Ihr war einiges zugestoßen, doch getreten worden war sie nicht. Aber was ihr Erinnerungsvermögen anging, schien es eindeutig einige Lücken aufzuweisen. Diesmal bemühte sie sich, nur ihre Schultern, ihre Arme zu bewegen, und da offenbarte sich ihr das ganze Ausmaß ihrer gegenwärtigen Situation. Sie war gefesselt, ihre Handgelenke mit rauen Stricken an zwei Bettpfosten gebunden, mit ausgestreckten Armen über ihrem Kopf. Mit ausgebreiteten Flügeln wie ein Schmetterling, lebendig, und doch zum Sterben verurteilt. Ihre Handgelenke waren wund gescheuert, ihre Arme taub, ein stechender Schmerz in den Schultern, und doch war es nicht so unerträglich wie die schlechte Luft in diesem Raum. Schweiß lag schwer auf ihrem Gesicht, unter dem Hemd zwischen ihren Brüsten, durchnässte ihren Slip. Die Luft schien ihr die Kehle zuzudrücken, zwei Klauen aus schwerfälligem Dunst. Mittlerweile hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt und plötzlich kam es ihr gar nicht mehr finster vor. Es gab kein Licht und doch konnte sie sehen. Und mit der Fähigkeit zu sehen kam auch die Erinnerung an ihren Traum, den Grund dafür, weshalb sie aufgewacht
Weitere Kostenlose Bücher