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Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Titel: Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ruhkieck
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war – das war doch der Grund? – und ihr war, als müsse sie weinen. Es war kein Traum. So war es gewesen und so würde es wieder sein.
    Bald.
    Dafür musste sie nur das ganze Ausmaß ihrer gegenwärtigen Situation in den Griff bekommen und überwinden.
    Ihn überwinden.
    Thox.
    Er saß, lag vielmehr auf dem alten, schäbigen Sessel, von dem Vanessa noch wusste, wie unglaublich abstoßend es war, speckig und zerrissen. Eigentlich war es sein Bett, in dem sie lag, doch Thox hatte es zu ihrem gemacht. Sie kon nte vielleicht nicht das grässliche Muster des schäbigen Sofas erkennen, doch ihn nahm sie wahr. Seine Augen waren geschlossen, sein Atem ging ruhig und regelmäßig. Er atmete leise, nur für sich alleine, als wolle er nicht, dass jemand außerhalb seines Mikrokosmoses es hörte. Aber es war da.
    Er hatte sie geschlagen, ihr Schmerzen zugefügt, sie gedem ütigt, doch jetzt wirkte er harmlos. Vanessa war überrascht, dass sie dennoch die Realität erkannte. Sie empfand keine Hoffnung für sich, kein Mitgefühl für ihn. Zuversicht, Verständnis, Unverständnis, Erleichterung, Wut, Hass, nichts davon konnte sie spüren.
    Irgendwie sieht er harmlos aus, dachte sie nur. Nicht mehr und nicht weniger.
    Es war an der Zeit, etwas zu unternehmen. Vorsichtig setzte sie sich auf, soweit es eben ging, und rutschte mit dem Hintern bis an das Kopfende. Dabei bemühte sie sich nicht, besonders leise zu sein, sie wusste bereits, dass das Bett nicht quietschte. Dann drehte sie den Kopf zur Seite und besah sich ihre linke Fessel genau. Das Seil war stramm gebunden, ihre Haut darunter wund und schmerzhaft. Die rechte Fessel gab ein ähnliches Bild ab, abgesehen von der Handschelle, die nutzlos an ihrem Unterarm hing. Und es gab noch einen anderen Unterschied: Der Knoten war locker.
    Unzufriedenheit durchströmte plötzlich Vanessas Körper. Sie hatte mehr von Thox erwartet, mehr als dies, mehr als diese lose Fessel. Wollte er es ihr leicht m achen oder war das seine Art zu sagen, dass er sie gar loswerden wollte?
    Dennoch begann Vanessa, an ihrem Handgelenk zu ziehen, an ihrer Fessel zu zerren, völlig gleichgültig, was es ihrer Haut antat. Sie zog, der Knoten lockerte sich, blieb aber eng und umschließend. Als die Schlinge um ihr Handgelenk weit genug war, wagte sie den Versuch, ihre Hand hindurch zu ziehen. Die Öffnung war eng, enger als ihre Hand breit war, und Vanessa befürchtete schon, sie würde sich die Haut von ihrem Handrücken ziehen. Es tat weh, es biss und bran nte, doch sie hörte nicht auf. Schmerz war kein Grund.
    Und plötzlich war ihre Hand frei. Ohne ein Geräusch – hatte sie etwa ein ‚PLOPP’ wie bei einer Chipsdose erwartet? – hatte sich ihr Arm aus der Schlaufe gelöst, und Vanessa wu rde bewusst, dass sie nicht damit gerechnet hatte. Sie hatte von Thox mehr erwartet als diese schlampige Arbeit, vielleicht aber auch weniger von sich. Bedächtig betrachtete sie ihre Hand, als hätte sie diese noch nie zuvor gesehen. Ihr Zustand war für Vanessa aber tatsächlich neu. Ihre Haut war gerötet, beinahe fleischig, und der Schweiß brannte in den offenen Wunden, aber sie spürte ihn nicht genug, um sich darüber Gedanken zu machen. Stattdessen machte sie sich daran, mit den Fingern dasselbe Ergebnis – Freiheit – am anderen Handgelenk zu erreichen. Tatsächlich war es schwieriger, den zweiten Knoten zu öffnen, als sich die Haut von der Hand abzuziehen. Aber mit Einsatz und Opfer diverser Fingernägel gelang es ihr endlich, die Hand loszubinden.
    Verwirrt über die neu gewonnene Freiheit wusste Vanessa nicht, was sie damit anfangen sollte. Sie blieb erst einmal si tzen und rieb sich die geschundene Haut. Schließlich aber warf sie – von ihrer plötzlichen Aktivität selbst überrascht – ihre nackten Beine über die Bettkante. Doch als ihre Füße den Boden berührten, blieb sie erneut zögerlich sitzen. Ihr war klar, dass sie weglaufen sollte, um dieses unselige Haus zu verlassen. Es war offensichtlich, dass Flüchten und um ihr Leben zu rennen das Vernünftigste war. Doch abgesehen davon sah sie keinen Grund, es wirklich zu tun.
    Und da war er wieder. Ihr Traum. Er hatte sie geweckt, was letztendlich dazu g eführt hatte, dass sie wieder frei war.
    Jonas. Immer wieder Jonas.
    Thox hatte behauptet, Jonas wüsste über ihre Entführung Bescheid. Doch Vanessa glaubte ihm nicht. Es passte nicht zu Jonas, und es war mehr als offensichtlich, dass Thox alle Mittel recht waren, um sie psychisch zu

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