Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
hatte, doch seit er sie beobachtete, hatte sie sich nicht einmal gerührt. Thox fand sie auf seltsame Weise sehr schön. Die verlaufene Schminke, die geschwollene Wange, der verdrehte Körper, das alles trug Vanessa Justine Seebusch mit geradezu graziler Würde. Ein Jammer, dass er sie nicht am Leben lassen konnte.
Schließlich stellte er das Glas Wasser mit dem Strohhalm auf das kleine Tischchen neben dem Bett. Vanessa öffnete schlagartig die Augen. Mit starrem, entset ztem Blick sah sie zu ihm auf, bevor sie trotzig den Kopf wegdrehte.
»Ich spar es mir, dich zu fragen, wie du geschlafen hast.«
Vanessa reagierte nicht auf seine Worte, doch das hatte er auch nicht erwartet. Als sie ihm jedoch weiterhin keine Beachtung schenkte, drehte sich Thox zum Gehen um. Sollte sie doch zusehen, wie sie alleine etwas zu trinken bekam. Seine Hand lag bereits auf dem Türknauf, als Vanessa doch versuchte, etwas zu sagen. Er sah zu ihr, die ihn nun flehend anblickte.
»Was hast du gesagt?«
Erneut versuchte sie, mit der Socke in ihrem Mund zu sprechen, doch es waren nur unverständliche Laute, die ihren Weg an sein Gehör fanden.
»Was?«
Schließlich ging er zu ihr, beugte sich runter und zog unsanft die Socke aus ihrem Mund. Ihre Mundwinkel waren aufgerissen und wund, und Vanessa machte nicht sofort ihren Mund zu. Thox musterte sie interessiert und konnte nicht von der Hand weisen, dass sie einen grotesken Anblick bot. Mit dem aufgerissenen Mund und den starren Augen sah sie aus wie eine aufblasbare Gummipuppe.
»Was gibt‘s?«, fragte er schließlich, als Vanessa auch we iterhin stumm blieb.
»Wie spät ist es?«, wollte sie wissen. Ihre Stimme klang rau und belegt, und doch passte sie zu ihrem äußeren Ersche inungsbild.
»Das ist alles? Mehr hast du nicht zu sagen? Hast du keine anderen Sorgen?«
Vanessa sah ihn nicht an. »Ich muss auf die Toilette.«
»Tu dir keinen Zwang an.«
Sie wirkte entsetzt. »Was? Ich soll … hier?«
»Meinetwegen kann deine Blase explodieren. Weniger A rbeit für mich.«
»Aber … ist es dir egal, wenn deine Wohnung nach Kloake stinkt?«
Thox musste zugeben, dass das ein Argument war. Die körperlichen Zwänge, denen jeder Mensch ausgesetzt war, hatte er in seinem Plan nicht bedacht, aber er war schon immer gut im Improvisieren gewesen. Und in diesem Fall gab es nur eine Sache, die er machen konnte, um nicht die Ratten anzuziehen.
Widerwillig zog er den Schlüssel für die Handschellen aus seiner Jeans und machte sich daran, ihre Handgelenke von den Fesseln zu befreien. Vanessa sagte nichts. Abweisend hatte sie ihren Kopf zur Seite gedreht, damit sie ihn nicht a nsehen musste, während er sich über sie beugte. Thox ahnte, dass sie etwas im Schilde führte. Niemand – keine Geisel – würde nicht jede Chance nutzen, um zu entkommen. Er musste auf der Hut sein, dass sie ihm nicht zwischen den Händen wegrutschte wie ein nasser Fisch.
Vanessa setzte sich in dem Bett auf, als er ihre Arme befreit hatte. Die Handschellen baumelten weiter um eins ihrer Handgelenke, während sie den anderen Arm mit einem leisen Stöhnen reckte. Doch Thox gab ihr nicht die Zeit, es sich gemütlich zu machen. Er riss sie an ihrem Arm aus dem Bett und zerrte sie auf die Beine. Als er dann hinter ihr stand, drehte er ruckartig ihren Arm hinter den R ücken. Vanessa schrie auf, was dann jedoch in ein bemitleidenswertes Wimmern überging. Thox spürte, dass er ihren Arm bis zur Spannungsgrenze verbogen hatte; nur ein Stück weiter, und er würde brechen wie ein Bleistift. So schob er sie grob in Richtung Badezimmer. Vanessa weinte nun wieder, doch zeigte sie sich ihm gegenüber nicht unterwürfig wie in der Nacht zuvor. Vielmehr hatte Thox den Eindruck, dass es Tränen der Wut und nicht der Angst waren. Vanessa Justine Seebusch würde es ihm so schwer wie nur möglich machen, das war so klar wie nichts anderes.
Als sie das Badezimmer erreichten, ließ er ihren Arm los und schubste sie auf die Kloschüssel zu. Vanessa stürzte be inahe und wäre um ein Haar mit dem Kopf gegen das Waschbecken gestoßen, doch gerade noch rechtzeitig konnte sie sich wieder fangen. Thox stellte sich vor die geschlossene Tür und blickte Vanessa schaulustig an. Ob sie wohl auch pinkeln konnte, wenn ihr jemand dabei zusah? Als sie endlich bemerkte, dass er das Bad nicht zu verlassen beabsichtigte, trat die erwartete Verunsicherung in ihr Gesicht.
»Willst du … mir etwa zusehen?«
»Glaubst du, ich lasse dich alleine im
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