Scherben
zierliche Fünfzehnjährige hatte in einen Farn gekotzt und wurde später in eine Decke gewickelt nach Hause getragen, Allisons Freund William war unerwartet aufgekreuzt, Allison hatte sich total gefreut und ihm fast das Gesicht abgeschleckt. Schmerzerfüllt sah Mustafa zu, wie Williams linke Hand in Zeitlupe immer wieder Allisons Hintern tätschelte.
Also wartete er, bis sie aus dem Zimmer gegangen war, um William eine Kopfnuss zu verpassen. Als Nächstes fand er sich mit einer Beule am Kopf draußen wieder und ging Arm in Arm mit jemandem durch die kalte feuchte Nacht.
Ihr Name war Leslie. Sie war eine vollbusige Achtzehnjährige mit lockigen rostblonden Haaren, die sie sich mit einer ganzen Armada von Haarspangen aus dem Gesicht hielt. Ihre Augen standen zu dicht beieinander, und sie trug einen Jeans-Overall. Sie sah aus wie ein Mädchen, dem man auf dem Jahrmarkt begegnet.
» Fun-see a reed ?«, kam aus ihrem Mund, und er dachte, sie habe geniest. Er konnte sich nicht mehr erinnern, was man sagt, wenn jemand niest, also versuchte er’s mit der wörtlichen Übersetzung des bosnischen Pendants. »Auf die Gesundheit«, sagte er. Daraufhin dachte sie, er habe geniest, und verzog ihr Gesicht zu einer verunsicherten Grimasse. Er lächelte wie ein betrunkener Idiot, der er auch war.
» Fancy a ride ?«, wiederholte sie langsamer und leicht genervt. Dieses Mal dachte er, sie habe ihm angeboten, ihn nach Hause zu fahren. »Klar. Besser als betrunken laufen«, war das, was er sagte.
Dann gingen sie aber doch zu Fuß. Er wartete darauf, dass sie an einem Wagen stehenblieb, aber sie gingen einfach immer weiter. Er dachte, sie habe einfach nur weit weg geparkt. Aber dann führte sie ihn ein paar Stufen runter in den Keller eines Wohnblocks. Sie stellte ihn an einer grünen Wand ab und schloss ihre Wohnungstür auf. Sie machte sich nicht mehr die Mühe, seine Fragen zu beantworten, wahrscheinlich deshalb, weil er sie auf Bosnisch stellte. Sie setzte ihn auf ein schmales Doppelbett und verschwand im Flur.
Ihr Zimmer war eine makellose Komposition aus geraden Linien und spitzen Ecken, die ihm das Gefühl gaben, sich in einem abstrakten Gemälde aufzuhalten. Der fransenlose Teppich sah aus wie ein geglättetes Stück Alufolie, der Schreibtisch war ein hohler Würfel und die Lampe eine Pyramide. Er brauchte eine Minute, um zu kapieren, dass es nirgendwo runde Formen gab. Selbst die Köpfe der Schrauben in den Möbelstücken waren eckig.
An der Wand hing ein großer Metallrahmen, der kein Bild enthielt. Er wusste nicht, ob das ein Statement war, oder ob sie noch keine Zeit gehabt hatte, ein Bild reinzumachen. Keine Stofftiere. Keine Kissen. Er stellte sich vor, in eine quadratische Kloschüssel zu kotzen, was ihn wahnsinnig machte.
Als sie wiederkam, war sie nackt, und ihr Gesicht und ihre Brustwarzen waren metallisch geschminkt. Ihr Schamhaar war perfekt dreieckig rasiert. Sie ging zur Anlage, und aus den Lautsprechern über dem Bett kam das Geräusch eines Staubsaugers. Nachdem sie die Pyramidenlampe eingeschaltet hatte, machte sie das große Licht aus. Er saß einfach nur da wie ein Trommelstock. Sie sagte etwas mit ihrer Roboterstimme und fing an, seine Jeans aufzuknöpfen.
Er nimmt an, dass sie gevögelt haben, aber sein Gehirn erinnert sich daran, das er staubgesaugt wurde. Es war ein mechanischer Vorgang, sie auf ihm, er auf Whisky. Er erinnert sich nur noch daran, dass er sich, bevor er das Bewusstsein verlor, Allisons Schlafzimmer vorstellte, mit einem herzförmigen Bett und flauschigen roten Kissen, dazu runde Fenster und kein William.
Auszüge aus Ismet Prcićs Tagebuch
Juli 2000
San Diego. Strand, Strand, Strand. Strandhäschen und Strandhänger. Bars für die Fleischbeschau. Bush-Aufkleber auf gigantischen Fahrzeugen. Baseballkappen, überall.
Ich fühle mich wie ein Schwein in Teheran.
Ich fürchte mich, über Melissa zu schreiben. Es scheint, als wären alle, die ich liebe, aus meinem Leben verschwunden, wenn ich über sie schreibe. Wie Asja. Wie Allison. Ich nehme an, ich bin einfach so, dass ich irgendjemanden lieben muss, auch wenn ich weiß, dass die Liebe zum Untergang verdammt ist. Mädchen als Stationen. Is it love? , würde eine Technoband fragen.
Melissa lässt sich morgens nur schwer dazu bewegen aufzustehen, aber wenn es mir endlich gelingt, nach mindestens fünfundvierzig Minuten Drohen und Betteln, ziert sie das Wohnzimmer mit ihrer Gegenwart (in Unterwäsche), blickt mich durchdringend an
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