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Scherbenhaufen

Scherbenhaufen

Titel: Scherbenhaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Vaterschaft des Dichters erneut angeheizt.« Eleonore entnimmt dem Weidenkorb ein schmales Bändchen und reicht es mir erwartungsvoll. »Kennst du’s?«
    Ich halte Robert Walser Erzählung ›Kleist in Thun‹ in Händen. »Für mich?«
    Eleonore bestätigt lächelnd.
    Ich danke, öffne das Büchlein und lese: ›Die Vorberge am Ufer des Sees sind so halb und halb grün und so hoch, so dumm, so duftig. La, la, la. Er hat sich ausgezogen und wirft sich ins Wasser. Wie namenlos schön ihm das ist.‹
     
     
     

25
    »La, la, la!«
    Kaum hat Eleonore Günther trällernd die Detektei Feller verlassen, tritt Jürg Lüthi über die Schwelle.
    »Ciao, Hanspudi. Wir sollten reden.«
    »Worüber? Setz dich! Aber nicht, dass du mich wieder wegen Ellen drängst«, warne ich.
    Mein Assistent schmunzelt. »Ihr bin ich soeben auf der Treppe begegnet. Grund zur Hoffnung?«
    »Grund zur Sache zu kommen, Jüre!«
    »Diese Rechberger Tochter gibt mir zu denken.«
    Ich warte ab.
    Jürg Lüthi holt Luft und meint: »Warum schützt die Frau ihren mutmaßlichen Vergewaltiger? Wie kann sie es hinnehmen, dass an seiner Stelle ihr Freund ins Zwielicht gerät?«
    »Diese Fragen bereiten mir ebenfalls Kopfzerbrechen. Einer von uns sollte Eva Rechberger nochmals auf den Zahn fühlen«, schlage ich vor. »Ob sie heute Abend zu Hause erreichbar ist?«
    »Ich fände es geschickter, wenn wir sie in Abwesenheit ihrer Mutter befragten«, wendet Jürg Lüthi ein. »Die Chancen, dass uns das Mädchen mehr verrät als bisher, dürften steigen.«
    »Also entfällt mein Vorschlag mit dem Hausbesuch«, erkenne ich.
    »Wenn wir versuchten, Eva Rechberger nach der Schule abzufangen?«, erwägt Jürg Lüthi.
    »Dazu müssten wir herausfinden, wann für sie Unterrichtsschluss ist.«
    »Das könnte Stefan für uns besorgen«, schlägt mein Assistent vor. »Wie dir bekannt ist, besucht er dasselbe Gymnasium. Er bräuchte nur im Schülerverzeichnis nachzuschlagen, um festzustellen, in welche Klasse Eva eingeteilt ist. Ihr Stundenplan gäbe Auskunft, bis wann sie womit beschäftigt ist.«
    »Ausgezeichnet! Organisiere das!«
    »Am schnellsten geht’s per SMS. Die checkt Stefan nämlich auch während dem Unterricht«, weiß Jürg Lüthi. »Und das, obschon es offenbar der Hausordnung widerspricht.«
    »Danke, Jüre. Für einmal verantworten wir den jugendlichen Regelverstoß. Ich stelle inzwischen den Fragenkatalog zusammen, mit dem ich die Dame zu konfrontieren gedenke.«
    Skeptisch mustert mich Jürg Lüthi und legt die Stirn in Falten. »Heißt das, dass du die Befragung durchführen wirst?«
    »Ja, warum nicht? Ich übernehme das.«
    Er zuckt mit den Schultern und tönt enttäuscht: »Na dann.« Darauf schreibt er, wie angekündigt, die SMS und sendet sie an seinen Sohn. Umgehend trifft eine Antwort ein. Der Assistent liest vor: »›Eva, 1d, BG bis 17.45 Uhr.‹«
    »Im Klartext?«, frage ich.
    »Eva Rechberger ist bis viertel vor sechs mit Bildnerischem Gestalten beschäftigt«, präzisiert er.
    »In dem Fall warte ich ab 17.30 Uhr vor der Schule.«
    Mein Mitarbeiter unternimmt einen zweiten Anlauf: »Wäre es nicht unauffälliger, wenn ich an deiner Stelle hinginge? Ich könnte leicht vorgeben, Stefan abzuholen und zufällig auf Eva zu treffen.«
    Das leuchtet ein. »Einverstanden, Jüre. Machen wir’s so.«
    Eine halbe Stunde später arbeite ich ungestört am Schreibtisch, während sich Jürg Lüthi zurückgezogen hat, um das Interview vorzubereiten.
    Ich drücke die Taste meines Radioempfängers und höre DRS 3. Schon wieder BLIGG. Er gibt zu meiner Freude seinen Hit ›Secondos‹ zum Besten:
    »Das isch min Immigrante-Song,
    Sie gänd Bluet, Schweiss und Träne,
    Irgendwo imäne andere Land,
    Was wäred mir numme ohni sie?«
    Ich entnehme dem Papierfach des Laserdruckers ein weißes Blatt A4 und lege es quer vor mich hin. Mit schwungvollen Ellipsen und zielgenauen Verbindungslinien zeichne ich ein Netzwerk aller Personen, die meiner Meinung nach mit dem Fall in Verbindung stehen könnten. Ich hoffe, dass mich dabei ein Gedankenblitz trifft, der das widersprüchliche Verhalten der jungen Frau erhellt.
    Gibt es etwas Entscheidendes, das bisher übersehen wurde? Auf wen hört sie? Übt wer Druck aus?
    Am Ende meiner Zeichenübung habe ich einen erbärmlichen Picasso fabriziert, der einzig und allein die vielfarbige Periode meiner anhaltenden Ratlosigkeit illustriert.
    Jürg Lüthi kehrt zurück. Er klingt enttäuscht. »Sorry, Hanspudi. Hat nicht

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