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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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weibliche Begleitung ist eine Premiere«, fügte Colin hinzu, nachdem ich ihm einen scharfen Seitenblick zugeworfen hatte.
    »Der Nielsen hat sich fast in die Hosen gemacht, als er sich der Insel näherte. Er wollte mich nicht einmal an den Strand bringen.«
    Colin schnaubte kurz. »Oje. Die gute Seele. Er kam vergangenen Samstag vorbei, als ich trainiert habe. Er hat mir ein paar Minuten lang stumm zugesehen und ist dann geflüchtet.«
    Ja, Colins Karatetraining konnte Furcht einflößend wirken. Und für Colins erotische Ausstrahlung, die ihn dabei umgab, war Nielsen aller Wahrscheinlichkeit nach nur bedingt empfänglich.
    »Und wer ... mit wem hast du in Louis’ Stall zu tun?«, hakte ich nach. »Ist es auch ein Mann oder ...?«
    »Blutjung, platinblond, Brüste wie Turbinen und immerzu willig. Ein echter Vamp. Du wirst sie mögen.«
    Ich presste ertappt die Lippen zusammen. Sie waren immer noch leicht geschwollen von unseren Bissen und Küssen. Mehr Bisse als Küsse.
    Den Rest der Fahrt hielt ich meinen Mund und auch Colin schien nicht das Bedürfnis nach Small Talk zu hegen.
    Der Vamp war ein alter, gebeugter Mann mit den eindrucksvollsten O-Beinen, die ich jemals in natura gesehen hatte. Man hätte locker eine Wassermelone zwischen seinen Knien hindurchschießen können.
    »Er wartet schon sehnlichst auf Sie!«, rief er Colin entgegen, als wir aus dem Auto stiegen. »Oh. Moin, Moin, junges Fräulein.« Er tippte sich an die Mütze und zwinkerte Colin anerkennend zu. Aus dem Stall schallte ein markantes Wiehern. Louis.
    »Danke, Jansen.« Colin hob die Hand zum Gruß. Der Alte blieb in gebührendem Abstand zu uns stehen. Ich spürte, dass er uns nachschaute, als wir auf den Stall zuliefen. Colins geschmeidige Schritte beschleunigten sich, ich hingegen hätte mir gerne noch ein bisschen Zeit gelassen.
    »Warum akzeptiert er dich? Er sah gar nicht ängstlich aus«, wunderte ich mich.
    »Er wollte mich zunächst auch nicht hierhaben. Als ich ihm Louis vorstellte, begann er an seiner Entscheidung zu zweifeln. Dann bat ich ihn, mir beim Reiten zuzusehen, und er willigte ein. Ich kenne dieses Muster schon. Er ist ein Pferdemensch. Ihn interessiert nur, wie ich mit den Tieren umgehe. Ob sie mir vertrauen. Und das tun sie.«
    Noch einmal klang Louis’ Wiehern durch die Nacht - lauter und auch fordernder. Er stand am Ende der Stallgasse, eine leere Box zwischen ihm und den anderen Pferden. Ich verharrte ohne Regung, als Colin zu ihm trat und Louis seinen schweren Kopf gegen seine Wange drückte. Dann bewegten sich Louis’ Ohren in meine Richtung und er prustete wissend.
    »Er erkennt dich wieder. Kompliment.«
    »Die Freude ist ganz meinerseits«, erwiderte ich sarkastisch, labte mich aber klammheimlich an Colins Zärtlichkeit, die seit heute nicht mehr nur Louis galt, sondern auch mir. Sie rührte mich zutiefst. Noch nie hatte mich das Ende einer Freundschaft so erleichtert und gleichzeitig mit dunkler, ziehender Schwermut erfüllt. Es wurde immer schlimmer. Schon wieder stahlen sich Tränen in meine Augen.
    »Ich nehme an, du möchtest nicht mit ausreiten?«
    Ich schüttelte den Kopf. Sprechen war zu gefährlich, das Weinen zu nah. Spürte Colin denn überhaupt, was hier mit mir passierte? Ich verstand mich selbst nicht.
    Er führte Louis auf die Stallgasse, band ihn fest und lief mir voraus auf ein kleines, reetgedecktes Häuschen zu, das direkt neben dem Stallgebäude errichtet worden war. Es diente als Feriendomizil für jene pferdenärrischen Urlauber, die gleich beim Aufwachen den Geruch von Mist in der Nase haben wollten. Zum Beispiel Colin.
    Er schloss auf und trat zur Seite, damit ich hineingehen konnte. Als er das Licht anknipste, kniff ich geblendet die Augen zusammen, doch Colin tauschte es rasch gegen eine altertümliche Petroleumlampe aus, die aussah, als sei sie von einem Piratenschiff gestohlen worden, und ein beruhigend mattes Flackern spendete.
    Eine Nische mit einem gemütlichen breiten Bett, Tisch und Stuhl, ein winziges Sofa, ein Fernseher, ein Kühlschrank - mehr gab es hier nicht. Ein überschaubarer Hort der Zivilisation, in dem ich wieder einmal auf Colin warten sollte. Ich kam mir abgeschoben vor, wie bei meinem ersten Besuch auf Sylt, als er mich in die Ferienwohnung verfrachten wollte.
    »Ich lasse dir etwas zu essen kommen. Jansen kocht fantastisch. Ich bin in ein paar Stunden wieder zurück, dann können wir reden.«
    Ehe er sich umdrehen konnte, griff ich nach seinem Hemdkragen und

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