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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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wollte. Ich konnte mich an Ort und Stelle auf den Boden setzen und erst einmal gründlich darüber nachdenken, was das überhaupt sein sollte, oder aber ...
    »Komm, Ellie. Und ich meine das wörtlich.«
    Oh, dieser Schuft. Mit drei Schritten war ich bei ihm, ohne zu wissen, wie ich all das anstellen konnte, was mir an mehr oder weniger sündhaften und zugegeben auch verzweifelten Gedanken durch den Kopf schoss. Aber ein Kuss war wahrscheinlich kein allzu schlechter Anfang.
    Colin ruhte entspannt am Gitter und musterte mich mit unergründlichem Blick, als ich mich auf seinen Schoß setzte. Ohne Kimonohose. Nur den zerschlissenen Kilt zwischen uns. Und ja, da bewegte sich etwas und diesmal war es nicht die Hütte im Sturm.
    Ich beugte mich vor, bis unsere Lippen nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt waren, doch bevor ich ihn küssen konnte, spürte ich Wut in mir aufwallen. Wut und Rachsucht und ... Liebe. Ohne seine Lippen zu berühren, ließ ich meinen Mund abwärtswandern, den Hals entlang bis zur Schulterbeuge, dieser weichen, verletzlichen Stelle über seinem Schlüsselbeinknochen, und biss zu, während meine Nägel über seine Brust ratschten. Ich hatte keine Krallen mehr wie früher, lackiert schon gar nicht. Sie konnten kaum etwas ausrichten. Aber meine Zähne waren scharf. Colin stöhnte auf, als ich sie tief in seine Haut drückte, so tief, dass sie Spuren hinterließen. Er riss an den Fesseln, unternahm aber keinen Versuch, mich zu stoppen.
    Doch mein Biss reichte aus, um mich zu besänftigen. Ich sah mit einer fast befremdlichen Befriedigung zu, wie bläuliches Blut aus den Einstichen sickerte, und leckte es ab. Metallisch. Ein wenig bitter. Süß. Meine Wut verflog.
    Aber noch fand ich nicht den Mut, Colin mit meinen Händen zu erobern ... und auch keinen Mut für alles andere. Was sollte ich nur tun? Er war gefesselt. Er konnte mir nicht helfen.
    »Fühle dich«, drang seine Stimme in meinen Kopf, ohne dass er den Mund bewegte. Fühle dich? Hatte ich das richtig verstanden? Seine Augen sagten Ja. Unmissverständlich Ja. »Du hast es doch schon getan.«
    Erwischt. Aber das lag ungefähr ein halbes Jahrhundert zurück, so kam es mir jedenfalls vor, und heute Morgen hatte ich es nicht einmal geschafft, mich sachgemäß mit meiner Bodylotion einzucremen. Die übrigens immer noch aufgereiht neben Kulturbeutel, Haarspray und feuchtem Toilettenpapier auf dem Boden stand. Sehr erotisierend.
    Und dann tat ich es doch. Weil es keinen anderen Weg gab. Es half mir, mit jeder Regung zu spüren, dass Colin es ebenso gerne getan hätte. Aber ich war die Einzige in diesem Spiel, die es konnte. Und durfte.
    Ich sah mich mit seinen Augen, wusste, dass er ahnte, was ich fühlte, als der Kimono von meinen Schultern rutschte und ich meinen glatten, weichen Bauch streichelte, meine Finger weiterwandern ließ, über seine und meine Haut - so viel Leben. Kein Tod weit und breit.
    Verwundert registrierte ich, dass meine linke Hand forscher wurde und den Verschluss des Kilts öffnete. Colin nahm sanft meine Zungenspitze zwischen seine Zähne, als der Rock zur Seite glitt. Und ließ wieder los. Natürlich trug er nichts darunter. Ich zögerte unwillkürlich, nachdem ich näher an ihn herangerückt war.
    »Ich glaube, das funktioniert nicht«, wisperte ich.
    »Was genau meinst du, Ellie?« Aha. Der Herr amüsierte sich mal wieder. Wie schön für ihn. Dass bei ihm alles funktionierte, war unübersehbar. Um mich war es im Grunde auch ganz gut bestellt. Trotzdem ...
    »Es ... passt nicht zusammen. Fürchte ich«, sagte ich errötend. Verstand er, was ich ihm signalisieren wollte?
    »Wenn es sich so anfühlt, ist es genau richtig.« Colin verlagerte sein Gewicht und ich seufzte leise auf. Vielleicht passte es ja doch. »Beweg dich nicht. Gewöhn dich in Ruhe an mich. Ich warte auf dich.«
    Ich blickte prüfend zu ihm auf. Er wollte warten?
    »Keine Bange. Ich hatte über hundertdreißig Jahre Zeit, das zu trainieren. Ich habe kein Problem mit vorzeitiger Ejakulation.«
    Ich konnte nicht anders - ich musste einfach lachen, selbst wenn es die Stimmung ruinierte. Auch weil ich bei Colins Worten sofort an Tillmanns neugierige Fragen und meine patzige Konfetti-Antwort denken musste. Colin schien meine Heiterkeit nicht aus dem Konzept zu bringen. Ganz im Gegenteil. Der Ernst kehrte schneller zurück, als ich ahnte.
    Ja, es war mir ernst.
    Und während wir Wange an Wange lehnten, uns nicht rührten und meine Gedanken zu seinen

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