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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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denn Giannas Nasenspitze wurde schlagartig blass.
    »Kennst du den Film Im Auftrag des Teufels mit Keanu Reeves und Al Pacino? Bestimmt ist hier auf dem Dach auch so ein Pool, der erst an der Mauer endet. Und wenn wir auf die Straße gucken, fährt kein einziges Auto mehr und kein Mensch ist unterwegs.« Gianna erschauerte.
    »Der Teufel ist grad nicht zu Hause. Na such schon. Wir müssen alte Erinnerungsstücke oder Dokumente finden. Die meisten Mahre heben irgendwelchen unnützen Kram auf. Sogar Colin tut das.«
    Doch unsere Suche war ein Reinfall. Das Älteste, was wir in der Wohnung fanden, war eine Packung Kondome mit dem Verfallsdatum Ende Oktober 2008. So weit ging François’ Tarnung also -er benutzte Kondome, obwohl es bei ihm völlig sinnlos war. Er konnte weder Aids übertragen noch jemanden schwängern, wobei
    Schwängern in der momentanen Konstellation ja kaum infrage kam. Gianna legte die Pariser angeekelt in das kleine Nachtschränkchen neben François’ XL-Wasserbett zurück.
    »Vielleicht ist er ja erst vor zwei Jahren verwandelt worden?«, mutmaßte sie.
    Ich schüttelte entschieden den Kopf. »Niemals. Dann würde seine Kraft nicht ausreichen, um ein Leben als Wandelgänger zu führen. Dafür muss er mindestens ein paar Jahrzehnte lang als Mahr gejagt haben. Und zwar bei Menschen.«
    François’ Wohnung wirkte gänzlich unbewohnt, wie ein Ausstellungsraum. Er hinterließ keine Spuren. Hier kamen wir nicht weiter. Ich angelte mein Handy aus der Hosentasche und wählte Tillmanns Nummer.
    »Ellie? Bist du das? Warte einen Moment.« Ich hörte Murmeln, ein deutliches Kussgeräusch, Schritte. »So, jetzt bin ich alleine. Ist alles klar?«
    »Nein, ist es nicht. Hier gibt es nichts. Gar nichts. Keinen einzigen Hinweis. Als wäre ich in einem Möbelkatalog gelandet. Was sollen wir denn jetzt machen?«
    »Warte mal ...« Tillmann dämpfte seine Stimme. »Es gibt noch einen Kellerraum unterhalb der Galerie, in einem alten Luftschutztrakt. François lagert dort Stellwände und wertvolle Bilder. Paul wollte mal was runterbringen, hat aber auf halber Strecke kehrtgemacht, weil er kaum noch Luft bekam. So ’ne Art Asthmaanfall. François ist fast durchgedreht und hat ihn angeschrien, weil versicherungstechnisch nur er diesen Raum betreten darf, falls die Gemälde Schaden nehmen und so weiter ...«
    »Na, das klingt ja sehr beruhigend. Und wie kommen wir da rein?«
    »Keine Ahnung. Aber den Galerieschlüssel hast du ja. Und dann müsst ihr halt runter in den Keller. Dort muss dieser Raum irgendwo sein. Das Haus ist nicht groß. Wahrscheinlich gibt es nur eine Tür.«
    Tillmann hatte recht - die Galerie war tatsächlich überraschend klein und übersichtlich. Ein schmales, dunkles Haus, ebenfalls im Schanzenviertel, aber im Inneren piekfein hergerichtet. Allein die Kaffeemaschine musste ein Vermögen gekostet haben.
    »Okay. Wir schauen mal nach. Du darfst jetzt weitermachen«, beendete ich das Gespräch.
    Eine Viertelstunde später standen wir vor der einzigen Kellertür unterhalb der Galerie und keine von uns hatte den Ehrgeiz, sie zu öffnen. Obwohl meine Spinnenangst sich mit Berta - Gott hab sie selig - gemindert hatte, hasste ich Keller immer noch wie die Pest. Mit jeder Stufe hinunter war die Temperatur gesunken und der modrige Geruch hatte sich unangenehm verstärkt. Doch es war nicht nur Moder. Da lag noch etwas anderes in der Luft - etwas, das nicht hineinpasste. Tierischer. Ammoniak und ...
    »Riechst du das auch?«, fragte ich Gianna und knipste die Taschenlampe an. Ich ließ den Kegel über den Boden wandern. Spinnweben, Staub, Mäusedreck.
    »Ich weiß nicht«, wisperte Gianna. »Irgendwie jucken meine Augen.«
    Ich drückte die schwere Eisentür auf, bis sie sich auf dem unebenen Boden festfraß. Vor uns lag ein dunkler, gewölbter Gang. Einen Lichtschalter gab es nicht. Der Geruch wurde stärker. Außerdem glaubte ich, ein nervöses Scharren zu hören. Dann wurde es wieder still.
    Ich leuchtete nach vorne. Am anderen Ende des Gangs gab es noch eine Tür, verriegelt und mit einem primitiven Vorhängeschloss gesichert. Gianna zupfte ängstlich an meinem Ärmel.
    »Elisa ... mir ist komisch. Ich will da nicht rein.«
    Ja, mir war auch komisch, seitdem Colin in mein Leben getreten war. Darauf konnte ich jetzt aber keine Rücksicht nehmen. Ich machte einen beherzten Schritt nach vorne.
    »Was ist das denn?«, fragte Gianna und bückte sich, als ich das Licht der Taschenlampe auf die feuchten Wände

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