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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Könnte es nicht sein, dass er dort eine neue Existenz aufbauen will für sich und Paul? Ihn weglocken, weil er ahnt, dass sich hier eine Verschwörung bildet?« Ich griff nach dem Teller, trug ihn rüber in die Küche und ließ ihn scheppernd in die Spüle fallen. »Er ist nur nach Mallorca
    gefahren, weil er Paul nach dem Zusammenklappen eine Pause gönnen muss. Seine Träume müssen nachwachsen!«, raunzte ich Tillmann an. »Und womit ginge das nach diesem Scheißwinter besser als mit einer Aussicht auf eine neue Existenz im Süden?«
    »Trotzdem verschafft es uns Zeit. Du bist echt ’ne Schreckschraube geworden, während wir weg waren, Ellie. Du drehst total am Rad.«
    Ich schoss aus der Küche zurück ins Wohnzimmer und ließ den Akkusauger ausführlich um Tillmann herum über das verkrümelte Sofa wandern. Ich berührte ihn dabei absichtlich immer wieder mit der Düse, weil ich wusste, dass es ihn bis aufs Blut reizen würde. Und das tat es auch. Das Tier in meinem Bauch grollte genüsslich, als Tillmann mir den Sauger aus der Hand riss und aufgebracht in die Ecke schleuderte, denn es gab mir einen Grund, ihm die Handkante auf den Oberarm zu hauen.
    »Ellie ...« Seine Fäuste waren geballt und seine Augen brannten. »Lass mich in Frieden.« Er war kurz davor zuzuschlagen.
    »Ich soll dich in Frieden lassen? Du hattest zwei Wochen lang deinen Frieden, während ich mich hier um tausend Sachen kümmern musste - herausfinden, was François überhaupt ist, mich von Colin und diesem Gorilla mit allerhärtestem Training piesacken lassen, in François’ widerliche Messiebude einbrechen, beinahe an Rattengift krepieren, François’ zum Tode verurteilten Hund entführen, dann wurde der Wolf erschossen, ich hatte irgendeinen fremden Mahr am Telefon, der mir eine superdämliche Warnung mitgeteilt hat, mit der kein Mensch was anfangen kann ... «
    »Hol mal Luft«, unterbrach Tillmann mich. »Sonst implodiert dein Hirn. Und ich kann das ja alles nicht wissen, wenn du es mir nicht erzählst. - Wie war es eigentlich mit Colin?«
    Ich warf ihm einen bitterbösen Blick zu. Er verstand nicht im Geringsten, was ich ihm hier zu sagen versuchte. Er hatte keine Ahnung - weder wie es in mir aussah, noch womit wir rechnen mussten.
    »Schön war es«, sagte ich kalt. »Wir haben fünfundsiebzig Stellungen ausprobiert, Cocktails getrunken und uns allerhand niedliche Namen für unsere zukünftigen Kinder ausgedacht. Und es kann sein, dass wir am Freitag draufgehen. Colin, Paul, Gianna, du, ich. Möchtest du noch ein bisschen fernsehen? Da!« Ich warf ihm die Fernbedienung aufs Sofa.
    »Mensch, Ellie. Denkst du denn, ich weiß das nicht?« Tillmann strich sich ratlos über den Nacken. »Ist doch logisch, dass es gefährlich wird. Aber Colin wird uns schon nicht ins Messer laufen lassen. Ich freu mich auf die Herausforderung. Endlich können wir aus unserer Passivität raus. Darauf warte ich schon die ganze Zeit.«
    Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Für Tillmann schien der Kampf ein großes Spiel zu sein. Er hatte überhaupt keine Angst! Ich konnte es kaum fassen. Wie sollte ich ihm nur begreiflich machen, was hier vor sich ging? Kopfschüttelnd sah ich ihn an. »Du kapierst es nicht. Genau wie letztes Jahr. Da hast du es auch nicht kapiert. Du hast gedacht, Colin macht Rodeo und Tessa liebt dich. Und ich konnte dich mal wieder aus der Scheiße ziehen, als schon alles zu spät war ...«
    »Halt jetzt den Mund, Ellie!«, brüllte Tillmann. »Ich blute jeden Tag dafür, okay? Über alles andere will ich nicht reden. Hau ab! Und warte bloß nicht auf mich. Ich schlaf heute Nacht auf dem Sofa.«
    »Ja, das rate ich dir auch!« Ich flüchtete ins Bad, bevor er meine Tränen sehen konnte, die plötzlich meine Augen überfluteten. Ich heulte eine Weile still vor mich hin, ging aufs Klo, wieder zurück in die Küche, machte mir lieblos ein Käsesandwich und verkroch mich auf unser Zimmer. Doch schlafen konnte ich nicht. Sosehr ich Tillmann auch für seine Ignoranz verfluchte - ich hatte etliche Nächte ohne eine Menschenseele in dieser Wohnung verbracht und mich jedes Mal zu Tode gefürchtet und diese Nacht war es kaum anders. Ich hatte Angst, die Augen zu schließen und nicht kontrollieren zu können, was hier geschah. Ich wollte nicht mehr alleine sein.
    Stundenlang wälzte ich mich hellwach hin und her, bis ich die Nase voll hatte, meine Bettdecke um mich wickelte und ins Wohnzimmer tapste. Tillmann lag mit dem Rücken zu mir

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