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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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bisschen viel für dich und ich hab Angst, dass - dass niemand etwas unternimmt und du so wirst wie er. Und man kann etwas unternehmen, sehr viel sogar, es gibt gute Medikamente ...«
    Ich stieß seine Hand weg.
    »Was genau willst du mir sagen, Paul?«, rief ich empört. Die Scham über das, was er von mir dachte, ließ mir das Blut in die Wangen schießen. »Dass ich nicht ganz dicht bin?«
    »Ehrlich, Ellie - du benimmst dich merkwürdig. Du stehst plötzlich vor der Tür, ohne dich vorher anzumelden, hast diese seltsamen - Tiere dabei, obwohl du dich früher vor ihnen zu Tode gefürchtet hast. Dein Auto hast du einfach in einer Tiefgarage abgestellt, mit dem Koffer drin, hast aber das Ticket nicht mehr, kannst dich nicht erinnern, wo diese Tiefgarage ist, und vor allem glaubst du, was Papa sagt - diesen verdammten Mist, den er auch mir erzählt hat. Ich hab in deinen Augen gesehen, dass du es wirklich glaubst, dass du nicht dran zweifelst ...«
    »Weil ich sie gesehen habe!« Ich gab dem Sessel mit meinem Rücken einen Stoß, sodass ich von Paul wegrücken konnte, dessen Arm immer noch zentnerschwer auf meinem Knie lag. »Ich hab sie gesehen, mit meinen eigenen Augen!«
    »Wen?«
    »Einen Cambion und einen Mahr. Einen der ältesten. Tessa. Sie ist winzig klein, höchstens einen Meter fünfundvierzig, hat lange rote Haare, in denen es vor Spinnen und Kellerschaben nur so wimmelt, und ihre Handrücken sind behaart. Sie hat Colin erschaffen, indem sie seine Mutter befallen hat, damals in Schottland, vor hundertsechzig Jahren, und später hat sie die Metamorphose vollendet - sie ist das Böse in Person, ein weiblicher Dämon, sie ... die beiden haben miteinander gekämpft und sie ist immer wieder lebendig geworden, obwohl er ihr das Genick gebrochen hat, ich war dabei ... ich bin sogar selbst verletzt worden ...«
    Ich brach ab. Oh mein Gott. Das hörte sich wirklich nach einer fortgeschrittenen Psychose an. Und meine Argumente, die ich mir beim Durchsuchen der Wohnung zurechtgelegt hatte, waren auf einmal wie weggewischt. Paul hatte mich völlig überrumpelt mit seiner unerwarteten Psychoanalyse und nun hatte ich mich selbst disqualifiziert.
    »Paul, bitte, du musst mir glauben, bitte ...«
    Ich zerrte mein Hosenbein hoch und zeigte ihm die Narbe. Noch immer zog sich ein roter Striemen vom Knöchel bis zum Knie, und wenn das Wetter wechselte, schien sie von innen heraus zu glühen und zu pulsieren. Paul musterte sie unbeeindruckt.
    »Ja, ich weiß davon. Mama hat mir geschrieben, dass du bei einer Treibjagd von einem Eber angefallen wurdest. Und weiter?«
    Ich stöhnte auf und fuhr mir aufgebracht mit beiden Händen durch meine wirren Haare. Oh nein. Nein. Stopp! Sich aufgebracht durch die wirren Haare zu fahren war nicht gut, wenn man dabei war, als verrückt abgestempelt zu werden. Denn das war sicher eine sehr geistesgestörte Verhaltensweise. Ich musste Contenance annehmen, und zwar sofort. Ich atmete tief ein und richtete mich auf.
    »Okay. Noch einmal von vorne. Ich hab im Sommer Colin kennengelernt, meinen Freund.«
    »Deinen - Freund?«
    »Unterbrich mich nicht. Ja, er ist mein Freund. Er ist zwar momentan weg, wo, weiß ich nicht, aber ... egal. Als Papa ihn das erste Mal gesehen hat, ist er durchgedreht. Er hat ihn angebrüllt und ihn aus dem Haus geworfen ...«
    »Das tun alle Väter, wenn ihre Tochter den ersten Freund mit nach Hause bringt, Ellie. Und erst recht, wenn sie so vernarrt in ihre Tochter sind wie er in dich.«
    »Er war aber nicht mein erster Freund, Paul, kapiert? Papa ist ausgerastet, er hat sich aufgeführt wie ein ... wie ein ... Geisteskranker«, schloss ich entmutigt. Mir war tatsächlich kein besseres Wort eingefallen. Ich hatte mich selbst in die Falle manövriert.
    »Das ist doch genau das, was ich dir zu sagen versuche, Ellie. Papa ist geisteskrank. Das ist übrigens keine Seltenheit bei Psychiatern. Und es kann erblich sein. Doch wenn es früh genug diagnostiziert wird und ...«
    »Lass mich jetzt bitte mal ausreden!«, brüllte ich Paul an. Mit meiner seelisch gesunden Körperhaltung war es vorbei. »Jedenfalls habe ich durch die ganze Sache herausgefunden, dass Papa ein Halbblut ist. Ich hab es herausgefunden, ich hab es in seinen Notizbüchern gelesen, er ist befallen worden, damals in der Karibik ...«
    »Ja, ich kenne die Geschichte. Er hat mir die Notizen auch gezeigt. Na und? Ist das ein Beweis? Ist es nicht. Menschen mit schizoider Persönlichkeitsstruktur legen eine

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