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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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Flohmarkt. Sie könnte ein paar Sachen auf dem Flohmarkt verkaufen. Jeden Samstag gab es einen in Riem. Sie würde einfach etwas von Lauras Kruscht nehmen und dort verscherbeln. Genau. Und heute Abend würde es Pizza geben. Beim Discounter kaufte sie zwei Tiefkühlpizzen und hatte dann sogar noch Geld für eine Flasche Limo übrig.

12
    Am Samstagmorgen stand Sandra vor einem Problem. Sie hatte noch zweiunddreißig Cent und musste mit der U-Bahn zum Flohmarkt fahren. Neun Stationen. Viel zu weit, um die ganze Strecke zu laufen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als schwarzzufahren.
    Vanessa musste allein in der Wohnung bleiben. Denn mitnehmen konnte sie ihre kleine Schwester nicht. Sie würde nicht stundenlang herumstehen, sondern schon nach zehn Minuten jammern, dass ihr kalt sei und sie Hunger habe. »Du darfst auch einen Film gucken.« In Lauras Kommode hatte Sandra eine DVD gefunden. 101 Dalmatiner. Begeistert stimmte Vanessa zu. »Und wenn dir langweilig wird, dann kannst du zu Ayshe gehen. Um eins bin ich wieder da, spätestens um zwei. Und mein Handy habe ich dabei. Wenn also was ist, dann rufst du mich an, ja?«
    Nachdem sie für Vanessa den Film gestartet hatte, machte Sandra sich auf den Weg. Der Rucksack auf ihrem Rücken war schwer. Unter dem Arm trug sie den kleinen Campingklapptisch vom Balkon.
    Der Himmel war zur Abwechslung mal blau, doch der Wind war noch immer frostig. Mit klopfendem Herzen passierte sie die Automaten, an denen man die Fahrkarten abstempeln musste. Plötzlich hatte sie das Gefühl, man könne ihr ansehen, dass sie keinen gültigen Fahrausweis hatte. Am Bahnsteig sah sie sich die wartenden Menschen genau an. Niemand sah nach Kontrolleur aus. Mit der U-Bahn fuhr sie bis zum Innsbrucker Ring und stieg dort um. Wieder lehnte sie sich direkt neben der Tür an die Trennscheibe. Gegenüber klebte ein Aufkleber des MVV. Bei Schwarzfahrern sehen wir rot. Und Sie zahlen 40 Euro. Vierzig Euro! Die spinnen ja, dachte Sandra und dann musste sie grinsen. Joswig würde sich auch amüsieren. Denn das Personalpronomen sie wurde kleingeschrieben. Einzige Ausnahme war die Höflichkeitsform, mit der man jemanden direkt ansprach. Wie beispielsweise in Briefen oder geschriebenen Dialogen, und das Plakat wandte sich ja an die Lesenden. Und die sollten nun vierzig Euro zahlen?
    Sie erreichten die nächste Station. Ein paar Leute verließen die U-Bahn. Ein Ehepaar und eine ältere Frau stiegen weiter vorne zu.
    Kaum hatten sich die Türen geschlossen, kam Bewegung in diese von Sandra als ungefährlich eingestufte Gruppe. »Guten Morgen. Die Fahrausweise bitte.«
    Shit! Der Schreck fuhr ihr durch den ganzen Körper. Was sollte sie tun? Einfach lügen, dass sie ihre Schülerfahrkarte vergessen hatte? Und dann? Sie würden ihren Perso sehen wollen. Wenn sie Glück hatte, erreichte die U-Bahn die nächste Station, bevor die Kontrolleure sich bis zu ihr am Ende des Wagens durchgearbeitet hatten. Noch stand der Mann bei einem älteren Fahrgast, der umständlich sämtliche Taschen seiner Jacke durchsuchte. Hoffentlich brauchte er noch lange. Die Frau jedoch kam unaufhaltsam näher. Taxierend sah sie die Leute an. Ihr Blick blieb an Sandra hängen, die hastig zur Seite blickte. Ihre Hände wurden feucht. Ihr Herz schlug viel zu schnell. Sicher sah man ihr an, dass sie schwarzfuhr. Nur noch drei Leute waren vor ihr dran. Zwei davon hielten ihre Fahrscheine bereits in der Hand. Diese Kontrolle dauerte nur Sekunden. Dann war ein Kerl an der Reihe, der nach Krawall aussah. Seine Haare hatte er als schwarzen Schopf stachelig nach oben gegelt. Prollige Uhr, Lederjacke. Hingefläzt lehnte er im Sitz, die Beine breit ausgestreckt. Bitte, bitte mach Stress, halt die Frau auf .
    »Was ’s los?«, fragte er, als die Kontrolleurin vor ihm stehen blieb.
    »Ihre Fahrkarte bitte.«
    »Isch und Fahrkarte? Seh isch so aus?« Lässig verschränkte er die Arme vor der Brust.
    Danke, danke, danke!
    »Ehrlich gesagt: Nein. Können Sie sich ausweisen?«
    »Perso is daheim.«
    »Gut, dann werden die Kollegen von der Polizei Ihre Personalien feststellen.«
    »Mach kein Stress, Alte. Die könn’ nix machen.«
    »Die Polizei? Kann nichts machen? Weshalb?«
    »Isch bin Boss.«
    »Was bist du?« Die Frau lachte.
    »Hee. Pussy. Gibts nix zu lachen. Isch bin Boss.« Der Kerl legte die Rechte auf die Brust oberhalb des Herzens, wie zum Schwur.
    »Das werden wir ja sehen. Und zum Schwarzfahren kommt noch eine Anzeige wegen Beleidigung.« Die

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