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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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Heute Nachmittag hatte Zorro das Bild hochgeladen. Zorro? Wer sollte das sein? Es war sein erstes Posting. Ja wer ist denn da so unartig? Wollt ihr es wissen? Erwischt: Unsere Musterschülerin Sandra Plank beim Pinkeln im Sportumkleideraum.
    Etliche Male war das Bild kommentiert worden.
    Sandra, die Sau!
    Iiiii!
    Sandra stinkt!
    *lol*
    Is die irre?
    Bäh!!!!
    Sandra isn Schwein!!!
    Ähm, fail!
    Ich bepiss mich! *rofl*
    *prust*
    Seid ihr bescheuert? Das isn fake!
    Never. Zorro hat sie erwischt.
    Echt?
    Echt!
    Ein Schweinchen namens Sandra.
    Die ist eh voll eklig!
    Spinnt ihr jetzt alle! Man sieht nur Beine. Das kann irgendwer sein. Garantiert nicht Sandra.
    Dieser Kommentar stammte von Alina. Und Sandra war ihr dafür unendlich dankbar. Doch keiner wollte diesen Einwand gelten lassen. Ihre Mitschüler hatten sich entschlossen, diesen Mist für bare Münze zu nehmen, und kriegten sich gar nicht mehr ein. Sandra starrte auf den Monitor und las all die Kommentare noch einmal. Tausend Gedanken wirbelten durch ihren Kopf. Ihre Gefühle fuhren Achterbahn. Wer war Zorro? Was wollte er von ihr? Sie hatte niemandem etwas getan. Sandra, die Sau! Dieses Foto!
    Alle glaubten, sie sei das.
    Was sollte sie jetzt tun?
    Sie schämte sich so entsetzlich, als hätte sie tatsächlich auf den Boden gepinkelt. Niemand würde ihr glauben. Außer Alina. Sollte sie antworten? Schreiben, dass sie das nicht war? Oder würde sie damit einen erneuten Schwall an Häme provozieren? Aber sie konnte doch nicht so tun, als wüsste sie nicht, was da ablief. Dann würden alle erst recht glauben, dass sie… Hinter ihrem Brustbein brannte ein Schmerz und in den Augen Tränen. Wütend hämmerte sie ihre Antwort in die Tastatur. Das bin nicht ich. Das ist doch fake. Ich kenne diesen Zorro nicht. Kennt den jemand von euch? Sie postete den Kommentar und schaltete den PC aus. Was jetzt abging, wollte sie nicht lesen. Sie konnte es sich nur zu gut vorstellen. Ziemlich sicher hatte sie Öl ins Feuer gegossen. Der Druck in der Brust nahm zu, stieg in den Hals und schnürte ihr die Kehle zu. Sie schaffte es einfach nicht, die Tränen zurückzuhalten. Weinend warf sie sich aufs Bett. Alles lief schief. Ihr ganzes Leben ging den Bach hinunter. Niemand war für sie da. Niemandem konnte sie sich anvertrauen. Niemand nahm sie tröstend in den Arm. Außer Alina hatte sie keine Freunde und auch die hatte kaum noch Zeit für sie. Sie fühlte sich, als würde sie allein in einer Blase leben, die sie von allen trennte. Sie vergrub den Kopf im Kissen und versuchte, den Tränenfluss zu stoppen. Doch es ging nicht. Ich bin für dich da . Diese Worte stiegen aus ihren Erinnerungen auf, zusammen mit einem Bild. Ein Grübchen am Kinn, ein besorgter Blick aus Augen, die sie an Waldhonig denken ließen. Joswig hatte diesen Satz zu ihr gesagt und plötzlich erschien er ihr wie ein kleiner Schatz.

11
    Als sie am nächsten Morgen das Klassenzimmer betrat, verstummten für eine Sekunde alle Gespräche. Vierundzwanzig Augenpaare gafften sie an. Maja verzog den Mund angewidert und wandte sich dann an Pat. »Vielleicht sollte ihr mal jemand verraten, wo die Toiletten sind.«
    Pat kicherte. »Wenigstens pieselt sie nicht in die Hose. Oder sehe ich da einen feuchten Fleck an ihren schicken C-&-A-Jeans?«
    Wie auf Kommando starrten alle auf Sandras Po.
    Sami blieb vor ihr stehen. »Ich find das Foto scheiße.« Es klang wie Fotto . Die schwarzen Haare trug er an den Seiten kurz geschnitten und den Rest hatte er mit reichlich Gel in Form gebracht. Im linken Ohrläppchen blitzte ein Ring.
    Sandra wollte schon erleichtert durchatmen, außer Alina stand also noch jemand auf ihrer Seite, als er grinsend hinzufügte: »Ey! Sieht man deine Muschi nicht. Echt scheiß Foto.«
    Was?
    Die Jungs brüllten vor Lachen.
    Sandras Augen brannten. Sie biss sich auf die Unterlippe. Nein! Sie würde nicht heulen! Nicht jetzt! Nicht vor allen. Sie versuchte, ihre Ohren auf Durchzug zu stellen, das Gelächter einfach zu ignorieren und sich nichts anmerken zu lassen. Alina war noch nicht da. Niemand, der ihr beistand. Sie setzte sich an ihren Platz. Denk an was Schönes, schau dir das Referat noch mal an, ignorier sie einfach, noch sieben Monate bis zu den Prüfungen, dann bist du sie los, kannst allen den Rücken kehren, dann gehst du auf die FOS. Diese Gedanken beruhigten sie. Sie zog das Deutschreferat aus der Tasche und las es sich noch mal durch. Doch bei der Vorstellung, in wenigen Minuten vor Maja und

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