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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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unendlich froh, sich nicht schon wieder verstecken zu müssen.
    Alina verzog das Gesicht. »Bis die neue Füllung drin war… das war echt Folter. Wofür hast du denn einen Campingtisch gekauft?«
    In letzter Zeit hatte sie viel zu viel gelogen. »Hab ich nicht. Ich war hier, um Sachen zu verkaufen.«
    »Cool«, meinte Patrick.
    Und plötzlich wurde Sandra wütend. »Klar. Cool. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hab mir den Arsch abgefroren, um ein paar mickrige Euro zu verdienen.«
    »Mensch. Sandra. Was ist los mit dir? Nimm dir dieses Pipifoto nicht so zu Herzen! Und außerdem können wir nix dafür. Deinen Frust musst du also nicht an uns auslassen.« Trotz der harten Worte hatte Alina den Sozialpädagoginnenblick ihrer Mutter aufgesetzt und guckte besorgt.
    »Was los ist? Als ob ich zum Spaß hier wäre. Wir leben von Hartz IV. Das weißt du doch. Schon mal darüber nachgedacht, dass die paar Kröten vielleicht nicht reichen?«
    »Okay. Du hast recht. Das war blöd von mir. Sorry.« Entschuldigend breitete Alina die Arme aus, legte sie um Sandra und drückte sie fest an sich. »Sei nicht sauer.«
    Wenigstens Alina hielt zu ihr. Die Umarmung tröstete Sandra. »Okay. Mir tut’s auch leid. Wirklich.«
    Patrick klemmte den Plattenspieler unter den anderen Arm.
    »Sag mal, Sandra, hast du schon mal was von der Münchner Tafel gehört? Letzte Woche war ein Bericht darüber im Fernsehen.«
    »Nee. Was soll das sein?«
    »Dort könnt ihr euch einmal in der Woche kostenlos Lebensmittel holen. Es gibt auch irgendwo in Neuperlach eine Verteilstelle, die findest du sicher im Netz. Ist nur so eine Idee, aber vielleicht würde euch das helfen?«
    Sandra nickte nachdenklich. »Danke für den Tipp. Ich werde mir das mal ansehen.«
    »Das kann doch auch mal deine Mutter machen. Oder liegt die den ganzen Tag faul auf der Couch und alles bleibt an dir hängen?«
    Ups. Fast erwischt. Sie musste besser aufpassen, was sie sagte.

13
    Das Wochenende verging mit Einkaufen, Lernen und einem Versuch, die Wohnung zu putzen. Mit Shampoo. Der Küchenboden war noch immer klebrig und die Kalkbeläge im Bad ließen sich nur noch mit einem Presslufthammer oder eben mit Antikalkmittel beseitigen. Die Flasche kostete 2,49. Und dieser Preis war indiskutabel. Noch immer hatten Lebensmittel Vorrang vor Putzzeug. Der Versuch, ohne Besen und Staubsauger Krümel und Staubflusen zu beseitigen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Irgendwann gab Sandra auf. Stunden hatte sie vergeudet. Die Wohnung sah nicht wesentlich besser aus als zuvor. Sinnvoller wäre es gewesen, Mathe zu lernen und Englisch und Bio und Sozialkunde und Physik. In den nächsten Wochen standen etliche Klassenarbeiten an.
    Am Montagmorgen bedeckte wieder eine dünne Schicht Schneematsch die Straßen und Gehwege. Als sie das Klassenzimmer betrat, entdeckte Sandra eine gelbe Papiertüte auf ihrer Bank. Was war das jetzt schon wieder? Während sie den Beutel hochhob und betrachtete, verstummten die Gespräche. Die Aufmerksamkeit ihrer Klassenkameraden war voll auf sie gerichtet. Take it with a smile, stand in roter Schrift auf gelber Fläche. Weiter unten prangte das Logo einer Airline. Sandra war noch nie geflogen, doch dass sie eine Kotztüte in der Hand hielt, kapierte sie auch so. Ha, ha. Sehr witzig. Trotzig blickte sie in die Runde.
    Pat kam herüber und betrachtete die Tüte. »Superschick. Muss man schon sagen. Ich an deiner Stelle würde allerdings gleich nichts essen, statt es dann wieder auszukotzen. Das spart eine Menge Geld… wo ihr doch von Hartz IV lebt.« Das war das Stichwort gewesen. Maja und ihr Fanklub brachen in Gekicher aus.
    »Und ich an deiner Stelle würde mal zum Neurologen gehen. Da wo das Gehirn sein sollte, ist bei dir nur ein Hohlraum. Vielleicht implantiert er dir ein paar graue Zellen. Damit zumindest der Hauch einer Chance besteht, dass du die Prüfungen schaffst.«
    »Du blöde Kuh.« Pat warf den Kopf in den Nacken, machte auf dem Absatz kehrt und gesellte sich zu Maja. Tuschelnd steckten sie die Köpfe zusammen. Herausfordernd hielt Sandra den Blicken stand. War ihr doch egal. Es musste ihr egal sein. Sollten ruhig alle denken, sie sei magersüchtig. Besser, sie dachten das, als dass sie die Wahrheit kannten.
    In der Pause stellte sich Sandra mit Alina etwas abseits von den anderen unter die kahle Kastanie. Gemeinsam rätselten sie, woher diese plötzlichen Attacken kamen, wer Sandra mobbte und alle gegen sie aufbrachte. Alina tippte auf

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