Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
Vom Netzwerk:
Kontrolleurin wandte sich an ihre Kollegen. »Könnt ihr mal kommen?«
    Die U-Bahn wurde langsamer und fuhr in die nächste Station ein. Danke, danke, danke!
    Kurz bevor sie ausstieg, warf Sandra dem Typ mit der Gelfrisur einen dankbaren Blick zu und fing dabei den der Kontrolleurin auf. Misstrauisch wurde sie von ihr gemustert. Sandra unterdrückte den Impuls loszulaufen, als die Türen sich endlich öffneten. Mit rasendem Herzen stieg sie aus, zwang sich, ruhig den Bahnsteig entlangzugehen, und wagte nicht, nachzusehen, ob die Frau ihr folgte. Sie zitterte am ganzen Körper. Rumpelnd schlossen sich die Türen. Der Zug setzte sich in Bewegung. Erleichtert blieb sie stehen. Glück gehabt.
    Es war kurz nach zehn, als sie endlich den Flohmarkt erreichte. Aber hallo. Da war schon ganz schön was los. Sie folgte dem Strom der Besucher aufs Gelände. Unzählige Stände waren bereits aufgebaut. Dichtes Gedränge und ein babylonisches Sprachgewirr herrschte in den Gassen dazwischen. Halb Europa schien sich hier versammelt zu haben. Sandra stellte den Campingtisch auf der ersten freien Fläche ab, die sie entdeckte, direkt neben einem Lieferwagen, der einer Frau gehörte, die dick vermummt mit Schal, Mütze, Handschuhen und Daunenjacke hinter ihrem Verkaufstisch stand. Mit gerunzelter Stirn musterte sie Sandra. Nur einen Moment später wurde ihre Aufmerksamkeit von einem Kunden beansprucht.
    Viel war es nicht, was Sandra zum Kauf anbot: einen Haarföhn, eine nagelneue Pfeffermühle, einiges von Lauras zurückgelassenem Modeschmuck, die erste und zweite Staffel Desperate Housewives auf DVD und einen Eierkocher. Sorgsam breitete sie die Sachen auf dem Tisch aus und wartete auf Käufer.
    Die Menschen schoben sich vorbei, guckten auf das Tischchen, gingen weiter. Es war kalt. Nach zehn Minuten fror Sandra, obwohl sie vier Schichten Klamotten trug.
    »Wie viel?« Diese Frage stammte von einem kleinen grauhaarigen Mann mit kräftiger Figur, der seine Baskenmütze tief in die Stirn gezogen hatte. Sein Finger zeigte auf den Eierkocher.
    »Drei Euro.«
    »Fünfzig Cent.«
    »Nee. Der ist so gut wie neu. Nur einmal benutzt.«
    »Ein Euro.«
    »Der hat fünfzehn gekostet und die Anleitung ist auch dabei.«
    In Wahrheit hatte sie keine Ahnung, wie viel Laura dafür ausgegeben hatte. Der Mann wandte sich ab.
    »Zwei Euro?«, rief sie ihm nach. Sie brauchte das Geld.
    Er kam zurück. »Gut.« Aus der Manteltasche zog ihr erster Kunde eine Handvoll Münzen, zählte zwei Euro ab und reichte sie ihr.
    Nach zwei Stunden war auch der Föhn weg und die beiden Staffeln Desperate Housewives. Zwanzig Euro hatte sie dafür bekommen. Wow. Ihre Zehen waren Eisklumpen. Bibbernd trat sie auf der Stelle.
    »Du machst das zum ersten Mal. Richtig?« Die Frau vom Nachbarstand hielt ihr einen dampfenden Becher unter die Nase. »Das nächste Mal solltest du dich wärmer anziehen und dir was Heißes zu trinken mitbringen. Da, nimm. Das ist Früchtetee.«
    Dankbar griff Sandra nach dem heißen Becher. Die Wärme an den Fingern tat gut und noch besser war die Wärme, die sich im Körper ausbreitete, als sie den Tee Schluck für Schluck trank und langsam auftaute. »Das ist echt nett von Ihnen. Danke schön.«
    »Nichts zu danken. Ich bin übrigens die Heidi und ich geb dir gleich noch einen Tipp. Du hast keine Standgebühr bezahlt, bist zum Besuchereingang rein, oder?«
    Sandra schrak zusammen und nickte. Standgebühr? Man musste dafür bezahlen?
    »Dann solltest du deine Sachen langsam zusammenpacken. Dahinten kommen die Kontrolleure.« Mit dem Kinn wies Heidi in die Menschenmenge, die sich durch die Gasse schob. Sandra konnte niemand als Kontrolleur ausmachen.
    »Wie viel kostet das denn?«
    »Dreizehn Euro.«
    »Was? Spinnen die? Ich habe ja gerade mal vierundzwanzig Euro eingenommen.«
    »Drum meine ich ja, du solltest langsam gehen. Mit dem bisschen Zeug, das du hast, halten sie dich für eine Käuferin.«
    »Danke für den Tee und den Tipp.« Sandra drückte Heidi den leeren Becher in die Hand, stopfte den restlichen Kram wieder in den Rucksack, klappte das Tischchen zusammen und verabschiedete sich von ihrer Nachbarin.
    Langsam drängte sie sich zwischen den Menschen hindurch Richtung U-Bahn. Vierundzwanzig Euro. Super! Das reichte ein paar Tage.
    Jemand zupfte sie am Ärmel. »Hey. Sandra.«
    Erschrocken drehte sie sich um. Doch es war Alina mit Patrick, der einen alten Plattenspieler trug.
    »Hi. Wie geht es denn deinem Zahn?«, fragte Sandra,

Weitere Kostenlose Bücher