Scherbenparadies
White Russian trinken könnten. Das war ihr erster gemeinsamer Drink gewesen. Sven, der sein Taschengeld in einer Bar aufbesserte, hatte ihn gemacht. Sicher dachte er, sie sei sentimental. Dabei brauchte sie jetzt nur etwas Hartes, um das, was nun kommen würde, irgendwie zu überstehen. Er holte Wodka, Kahlua, Sahne und Milch aus dem Kühlschrank und Eiswürfel aus dem Gefrierschrank. Kurz darauf drückte er ihr den Drink in die Hand, nahm sie bei der anderen und zog sie hinter sich her in sein Zimmer. Überall lagen Klamotten, Pizzakartons und sonstiger Kram rum. Auch auf dem Bett. Auf dem Schreibtisch stapelten sich Schulhefte, Bücher und Zeitschriften, darunter ein Playboy. Das Playmate des Monats reckte ihren nackten Arsch in die Luft.
Hastig trank sie das Glas fast leer. Sven machte Musik an. Techno. Das konnte sie echt nicht ab. Diese hektischen Beats. Das Gegenteil von romantisch. Er kam auf sie zu, nahm sie in den Arm. Ein Schluck und ihr Glas war leer. Der Drink zeigte schnell die erhoffte Wirkung. Sie entspannte sich und trat innerlich zurück, als Sven sie umarmte und küsste. Rasend schnell waren seine Hände wieder überall, knöpften auf, zogen runter, pellten sie aus Jeans, Pulli, String und BH. Mit einer Bewegung fegte er allen Krempel von der Matratze und warf sie darauf, schlüpfte aus seinen Sachen und legte sich neben sie. Pause. Gott sei Dank! Sein White Russian stand auf dem Boden neben dem Bett. Er hatte nur daran genippt. Sie angelte ihn sich und trank ihn beinahe aus.
Als Sven sich über sie beugte und sie ansah, mit diesen Augen, die sie einst so aufregend gefunden hatte, so eisblau und kalt, stellte sie sich vor, es wären die von Nils. Warm und zärtlich, eine Spur Malachit in all dem Braun. Als er sie küsste, schloss sie die Augen und dachte an Nils. Sie überließ sich ganz ihren Träumen und für einige Augenblicke war sie glücklich. When my eyes meet your eyes you know it’s true. Let’s both get on that rocket to the stars . Ja!
Später ließ Sven sich keuchend neben sie fallen. Eine Weile schwiegen sie. Dann musterte er sie ernst. Hatte er etwas gemerkt?
»Ich liebe dich so sehr.« Er sagte das so schüchtern, so einfach und ehrlich, dass es sie beinahe rührte.
»Wie sehr?«
Sein Zeigefinger wanderte zwischen ihren Brüsten hinunter zum Bauchnabel. »Total. Für immer und ewig. Ich würde alles für dich tun.«
Bingo. Das ging ja schneller als gedacht. Der Einsatz hatte sich gelohnt. Sie umarmte ihn, drückte ihren Körper an seinen. »Alles? Echt?«
»Klar. Alles.«
»Schwöre es.«
Der Zeigefinger stoppte, blieb in der Mulde des Nabels liegen. Er hob den Kopf, sah ihr in die Augen. »Wenn dir das wichtig ist, ja gut, dann schwöre ich das. Ich tue alles für dich. Du musst nur sagen, was.«
31
Als Sandra aufwachte, lag Nils neben ihr und schlief tief und fest. Sein Gesicht war ein wenig zerknautscht, seine Locken zerwühlt. Auf den Wangen sprossen blonde Stoppeln, das Grübchen am Kinn sah ein wenig tiefer aus als sonst.
Sie liebte ihn so! Eine heiße Welle von Glück schlug über ihr zusammen.
Leise stand sie auf, ging ins Bad und zog sich an. Von dort schickte sie ihm eine SMS. Guten Morgen, Liebster. Ich bin dir nicht weggelaufen ;-) Muss heim, Schulsachen holen. Love you so!!! Auf dem Spiegel im Bad hinterließ sie einen Labello-Kuss.
Kurz nach sieben kam sie nach Hause. Vanessa war noch oben bei Ayshe. Gestern, spätabends hatte Sandra noch bei Öczans angerufen und gesagt, dass auch sie bei einer Freundin übernachtete und dass auch Laura nicht da sei. Falls Vanessa Heimweh bekam, war Sandra auf dem Handy erreichbar.
Nun aß sie ein Joghurt und trank eine Tasse Tee. Mehr passte in ihren Bauch beim besten Willen nicht rein. Er war voller Schmetterlinge. Love you so!!!
Dann richtete sie für Vanessa Brotzeit, suchte ihre Schulsachen zusammen und fuhr kurz nach halb acht mit dem Lift nach oben, um ihre kleine Schwester abzuholen. Die ganze Zeit summte diese exotische Musik in ihrem Kopf. Monoton und hypnotisch, brachte sie zum Schweben, trug sie wie auf Wolken mit sich fort.
Die Mädchen hatten schon gefrühstückt und standen abmarschbereit im Flur. Sandra dankte Frau Öczan und bot an, auch Ayshe zur Schule zu begleiten. »Mach dir nicht ständig Sorgen, Sandra«, sagte Selma Öczan. »Vanessa hat sich einmal verlaufen. Sie wird das nicht wieder tun. Du musst mal loslassen. Die Mädchen können alleine gehen.«
»Genau!« Vanessa legte den Kopf schief
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