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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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Hoffentlich war nun Schluss damit. Sandra dachte an die SMS, an das demolierte Rad, an die Fotos. Woher kam dieser Hass auf sie? Wer zog da die Fäden? Instinktiv spürte sie, dass noch lange nicht Schluss war. Es kam ihr eher wie eine kleine Verschnaufpause vor, eine scheinbare Ruhe, bevor der Sturm mit Macht zurückkam. Furcht und Kraftlosigkeit wollten nach ihr greifen, doch dann sah sie Nils auf den Pausenhof treten. Er ging zu Charlie und Sami. Sein Anblick vertrieb alle düsteren Gedanken. Ein sehnsüchtiges Ziehen breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Noch vier Stunden! Wie sollte sie die überstehen?
    »He! Aufwachen! Ich glaub es ja nicht!« Alina stupste sie an. »Täusche ich mich oder ist Charlie die Ursache für dieses verliebte Grinsen?«
    Sandra lachte. »Was?«
    »Hm? Dann doch Sami?«
    Autsch. Langsam wurde es eng. Falls Alina ins Schwarze traf… viel Auswahl blieb ja nicht mehr… und Verschwiegenheit gehörte nicht gerade zu den Tugenden ihrer besten Freundin.
    »Quatsch. Ich bin heute einfach gut drauf. Das ist alles.« Der Gong ertönte und Sandra war richtig froh darüber.
    Nach Schulschluss beeilte sie sich, Vanessa abzuholen. Doch die war schon weg. War sie alleine heimgegangen? Sandra rannte den ganzen Weg nach Hause. Mit zitternden Fingern sperrte sie die Wohnungstür auf. Was, wenn Vanessa sich wieder verirrt hatte? Doch der Fernseher lief. Ihre kleine Schwester saß fröhlich davor und guckte einen Kinderfilm. »Ich bin alleine gegangen! Ganz alleine. Ayshe hatte schon früher aus. Toll, gell?« Vanessa strahlte übers ganze Gesicht. »Das mache ich jetzt immer!«
    »Ja. Super!« Sandra wuschelte Vanessa durch die Haare. »Langsam wirst du ein großes Mädchen. Also gut. Ab morgen darfst du alleine gehen.« Ayshes Mutter hatte recht, sie beschützte und behütete Vanessa zu sehr. Vielleicht musste sie wirklich loslassen, alles ein wenig lockerer sehen. Dann wurden vielleicht auch die Probleme kleiner.
    Der Kühlschrank gab nicht mehr viel her. Sandra hinterließ Laura eine Nachricht auf der Mailbox. Es gab Resteessen. Danach wollte Vanessa zu Ayshe gehen und Sandra war das sehr recht. Kurz vor zwei machte sie sich zu Fuß auf den Weg. Das Geld war alle, sonst hätte sie sich eine U-Bahn-Fahrkarte für die eine Station gekauft, nur um fünf Minuten früher bei Nils sein zu können.
    Das letzte Stück lief sie. Als sie endlich atemlos vor seiner Wohnung stand, klopfte ihr Herz wie wild, nicht nur, weil sie gerannt war.
    Bevor sie klingeln konnte, öffnete er, zog sie in seine Arme und gab der Tür mit dem Fuß einen sanften Tritt. Mit einem leisen Ploppen schloss sie sich. »Endlich«, seufzte er. »Ich bin schon halb verdorrt vor Heimweh nach dir.«
    Tränen stiegen ihr in die Augen. Wieso das denn? Er hatte Heimweh nach ihr. Das war so schön und erst jetzt verstand sie, dass er sie liebte, wirklich liebte, ganz und gar.
    Während sie sich küssten, sog sie seinen Duft ein, feuchte Erde, regenschwere Gräser, nebelverhangener Morgen. Diese Musik setzte wieder ein. War sie nur in ihrem Kopf? Nein. Sie erklang wirklich. Ein schwingender Rhythmus, exotische Klänge, magische Worte, eine Stimme wie verwehender Wüstensand. Sehnsucht und Erwartung.
    Ihr Körper begann zu schwingen, jede Faser nahm die Musik in sich auf. Sie schmiegte sich in seine Umarmung. Als sie sich nach einer halben Ewigkeit ein wenig voneinander lösten, fragte Sandra, was für eine Musik das sei.
    »Abdullah Ibrahim«, murmelte er. »Jazz. Mein Vater hat mich auf den Geschmack gebracht.«
    »Ich danke ihm. Sag ihm das.«
    »Hm. Vielleicht nächsten Sommer, wenn das Schuljahr rum ist.«
    »Warum?«
    »Mein Vater ist Mr Correct in Person.« Nils sah sie an und begann dann, mit dem Finger ihren Mund nachzuzeichnen. »Er war Richter. Jetzt ist er pensioniert.«
    Sie küsste diese kleine Mulde an seinem Schlüsselbein. »Du meinst, es wird ihm nicht gefallen, wenn deine Freundin auch deine Schülerin ist.«
    »Ganz sicher nicht.« Seine Augen wurden dunkler. Er ließ die Arme sinken. »Ich habe mir heute mal den einschlägigen Paragrafen angesehen. Sexueller Missbrauch…«
    »Spinnen die? Missbrauch… Was soll das denn?«
    Ernst sah er sie an. »Leider ist das so. Ich bin dein Lehrer und du meine Schutzbefohlene und du bist noch nicht achtzehn. In diesem Fall sieht das Recht eine Beziehung, auch wenn sie einvernehmlich ist, als Missbrauch an. Das wird mit drei Monaten bis fünf Jahren Gefängnis bestraft.«
    Sandra

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