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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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blieb erst einmal die Luft weg. Gefängnis, weil sie sich liebten? Das war ja total absurd!
    »Aber sobald ich volljährig bin, hängt dieses Damoklesschwert nicht mehr über uns?«
    Er nickte. »Bis dahin müssen wir unsere Beziehung geheim halten. Das wird nicht leicht. Und ich weiß nicht, ob es richtig ist, was wir da tun. Ich will nicht, dass du meinetwegen Probleme bekommst.«
    »Natürlich ist es richtig!« Sandra schluckte. »Ich kann doch in die 10 A wechseln, darüber haben wir doch gestern schon gesprochen.«
    »Daraus wird nichts. Der Direktor hat meine Anfrage abgelehnt. Die Klasse ist mit zweiunddreißig Schülern schon mehr als voll. Und ich soll etwas gegen das Mobbing unternehmen, hat er gesagt, deine Versetzung würde das Problem nicht lösen.« Hilflos hob Nils die Schultern.
    Okay. Darum ging es ja nun nicht. Aber das wusste der Schulleiter natürlich nicht.
    »War es heute arg schlimm?«, fragte Nils. Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und zog sie wieder in seine Arme.
    »Nee. So langsam gehen denen wohl die Ideen aus.« Wieder stellte sich dieses leicht unbehagliche Gefühl ein wie heute Morgen auf dem Schulhof. Die Ruhe vor dem Sturm. Sie wiegen mich in Sicherheit, bevor sie die nächste Gemeinheit loslassen.
    Ein Handy begann zu klingeln. Sandra erkannte den Klingelton. Es war ihres. Vielleicht war es Vanessa. Sie schob sie in letzter Zeit zu oft zu Ayshe ab. »Sorry. Das könnte meine Schwester sein.« Sie löste sich von Nils und griff in ihre Jackentasche. Doch es war kein Anruf, sondern eine SMS. Ich weiß, was du gerade tust. Bitch!

32
    Berlin.
    Sandra lag auf dem Bett und starrte an die Decke. Feine Risse liefen über den Verputz. Wie kartografische Linien zogen sie sich durch Licht und Schatten. Fantasieländer und imaginierte Meere entstanden.
    Berlin.
    Die Klassenfahrt konnte sie vergessen. Die Deadline für die Bezahlung rückte immer näher. Mit Putzen hatte sie keinen Cent verdient. Sabine Ihrig, diese arrogante Reihenhausbesitzerin. Siebzig Euro. Aber selbst wenn sie die bekommen hätte, es würde nicht reichen.
    Sandras letzte Anrufe bei Laura waren echolos verhallt. Es sah ganz so aus, als hätte Laura ihre Kinder abgeschrieben, endgültig aus ihren Gedanken verbannt. Auch Vanessa hatte sich verändert. Sie fragte kaum noch nach ihrer Mutter und schien ihren Kummer in sich hineinzufressen. Sandra musste es hilflos mit ansehen. Wie sollte sie Vanessa Lauras Abtauchen verständlich machen? Sie verstand es ja selbst nicht.
    Ohne Nils… ohne Nils wäre sie gesprungen… ohne dich wäre ich tot… auch dafür liebe ich dich. Als ob du es gespürt hättest, dass ich dich gebraucht habe. Dich. Deine Liebe, die du mir wie einen Rettungsring zugeworfen hast.
    Berlin.
    Sie konnte nicht mit. Sie hatte kein Geld.
    Berlin.
    Sie träumte davon. Doch selbst wenn sie das Geld gehabt hätte… Laura stellte sich tot. Laura würde sich in dieser Zeit nicht um Vanessa kümmern und Vanessa konnte nicht fünf Tage bei Ayshe bleiben. Klar, Ayshes Mutter würde sich sofort eine Woche um Vanessa kümmern. Eine Woche oder auch ein ganzes Leben. Sie liebte Vanessa wie ihre eigene Tochter.
    Doch dann musste sie zugeben, dass Laura…
    Ihre Gedanken drehten sich im Kreis.
    Zeit aufzustehen. Zeit, eine Entscheidung zu treffen.
    Doch die hatte sich längst selbst getroffen. Kein Geld. Keine Fahrt nach Berlin. So einfach war das. Sandra war kurz davor zu heulen.
    In allem Mist steckt auch etwas Gutes.
    Such danach, befahl sie sich, während sie Zähne putzte.
    Sie würde Nils vermissen. Fünf Tage ohne ihn erschienen ihr unvorstellbar. Doch wenn sie mitfahren könnte…
    Sie las es im Spiegelbild ihrer Augen. Niemals könnten sie ihre Liebe verborgen halten. Keine Chance. Man würde es ihnen ansehen! Dann würden es alle wissen.
    Sie durfte nicht mitfahren! Selbst wenn sie eine Million gehabt hätte. Es sei denn, sie wollte Nils ins Gefängnis bringen. Sie stoppte mitten in der kreisenden Bewegung.
    Auch wenn ihr das Herz blutete. Sie musste Nils schützen! Fünf Tage gingen auch vorbei. Fünf mal vierundzwanzig Stunden. Das ließ sich aushalten, wenn ein ganzes Leben vor ihnen lag. Love you so!!!
    »Love you so!!! Ich würde sterben für dich!«
    Berlin.
    Peanuts.
    Alle Zeit der Welt lag vor ihnen. Island. Polarlichter. Gemeinsam mit Nils würde sie die sehen. Dieser Gedanke ließ sie stark werden. Sie konnte nicht mitfahren. Und das war gut so!
    Sie schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse.

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