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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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und sah Sandra erwartungsvoll an. »Ich bin doch ein Schulkind.«
    »Na gut.« Irgendwie fiel ihr heute alles leichter.
    Vor der Haustür trennten sie sich. Einen Augenblick sah Sandra den beiden nach, wie sie mit ihren bunten Schultaschen, die viel zu groß und schwer für ihre kleinen Körper schienen, den Fußweg entlanggingen, dann machte auch sie sich auf den Weg.
    Das Handy vibrierte. Sandra guckte aufs Display. Zwei SMS waren eingegangen. Die erste kam von Nils. Ich hab dich so lieb, ich würd dir ohne Bedenken eine Kachel aus meinem Ofen schenken. :-X. Heute Nachmittag bei mir? Love you so!!!
    Es kam ihr vor, als ob sie zur Schule schwebte. Nils’ Worte machten sie ganz schwindlig. Sie simste zurück. :-X :-X :-X Um drei?
    Bis dahin bin ich vor Sehnsucht nach dir eingegangen. Um zwei? :-X :-X :-X
    Um zwei! :-X :-X :-X Was mache ich nur mit einer Kachel?
    Die zweite SMS kam von Alina. Sandras Herz machte einen kleinen Satz. Endlich reagierte ihre Freundin auf ihr Friedensangebot. Okay. Lass uns reden. In der Pause.
    Alles würde gut werden. Sicher würde Alina verstehen, weshalb sie das mit ihrem Vater nicht erzählt hatte. Freundinnen erzählen sich alles, hatte sie gesagt. Vielleicht wenn man zwölf war. Aber mit siebzehn? Jedenfalls würde sie Alina nichts von Nils sagen. Das musste ein Geheimnis bleiben, wenn sie ihn und sich nicht ins Unglück stürzen wollte.
    Sie war so happy, dass heute alles an ihr abperlte. Blöde Bemerkungen von Maja und Pat, ein giftiger Blick von Janina und Marlenes anzügliches Grinsen. Sami öffnete den Mund, schob die Zungenspitze heraus und ließ sie hin und her zucken. Fick dich, sollte das wohl heißen. Besser, sie hätte gestern den Mund gehalten. Einem wie Sami sagte man nicht, er habe nichts in der Hose. Doch diese Sorge begleitete Sandra nur zwei Schritte weit, dann waren ihre Gedanken wieder ganz bei Nils.
    Sie setzte sich an ihren neuen Platz in der letzten Reihe. Alina kam rein, winkte ihr kurz zu und rutschte, wie in den letzten Tagen, an Marlenes Seite.
    Erste Stunde Englisch. Frau Meißner teilte die Schulaufgabe aus. Sechs. Was ja keine Überraschung war. Dennoch sank Sandras gute Stimmung um ein paar Grad. Für den Rest des Jahres musste sie sich echt ins Zeug legen. Sie konnte sich keinen weiteren Ausrutscher erlauben.
    »Einige von euch hatten einen schlechten Tag. Der Schnitt ist nicht gerade zum Jubeln. Wer sich verbessern will, dem mache ich ein Angebot.« Abwartend sah Frau Meißner in die Klasse und schob dabei die randlose Brille den Nasenrücken hinauf. Es wurde ein wenig leiser. »Wer den Patzer ausbügeln will, kann ein Referat halten. Eine Viertelstunde, Thema frei wählbar.« Ein Murren war zu hören. »Also, wer will?«
    Sandra meldete sich für das Referat an. Sie war die Einzige und natürlich ergoss sich ein Schwall übler Kommentare über sie. Streberin war noch die harmloseste Bemerkung. Alles prallte an ihr ab. Nils’ Liebe machte sie unverwundbar.
    In der Pause gesellte Alina sich zu ihr an den Zaun. In einer Hand hielt sie ein Sandwich, in der anderen ihren Thermosbecher. Sandras Magen knurrte. Wieder einmal.
    »Alles okay mit dir?« Alina gab sich die Antwort gleich selbst. »Blöde Frage. So wie du strahlst. Hat das einen besonderen Grund?« Grinsend neigte sie den Kopf.
    »Quatsch. Ist einfach ein schöner Tag.«
    »Hm? Schon. Englisch sechs. Davon hast du ja geträumt, oder? Und Samis Avancen… werd nur nicht schwach.« Mahnend hob Alina den Zeigefinger.
    Sandra zog die Nase kraus. »Da besteht keine Gefahr.«
    Eine Weile schwiegen sie, bis Alina sagte, dass es ihr leidtat, so egoistisch gewesen zu sein. »Meine Mutter hat mir ordentlich den Kopf gewaschen. Sie meint, man muss nicht alles voreinander ausbreiten. Jeder darf seine kleinen Geheimnisse haben… und gerade jetzt, wo du eine Freundin brauchst, hab ich dich im Stich gelassen. Sorry. Tut mir echt leid.«
    Sie umarmten sich. »Freundinnen?«
    »Klar. Freundinnen.«
    »Das mit meinem Vater… für mich ist das ewig her. Ich denke nicht gerne an ihn und noch weniger gerne rede ich über ihn. Kannst du das verstehen?«
    »Ja… nein. Eigentlich nicht so richtig.« Alina starrte auf ihre Stiefelspitzen. »Normal bin ich ja nicht neugierig. Aber dass du nie etwas über deinen Vater gesagt hast… also, dass er im Knast war, das hat mich schon enttäuscht.«
    Dann kam sie auf das Mobbing zu sprechen. Es schien ja nachgelassen zu haben. Vielleicht war das ein gutes Zeichen.

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