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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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verschwand. »Und nur ein Idiot würde glauben, dass du diesem Polizisten…«, er suchte offenbar nach dem passenden Wort, »… sexuell entgegengekommen bist.«
    »Dann sind vermutlich alle Idioten. Alle glauben das nämlich.« Wieder einmal saß ein Klumpen in ihrem Hals. Nils brachte ihn zum Verschwinden, indem er ihr einen Kuss auf die Nasenspitze gab. »Das ist ein gruppendynamischer Prozess. Eigentlich kennen sie die Wahrheit. Wenn ich mit jedem einzeln reden würde, dann würde so gut wie keiner tatsächlich annehmen, dass du getan hast, was dir da so bösartig unterstellt wird.«
    »Das machst du doch hoffentlich nicht?« Das fehlte ihr gerade noch.
    »Notfalls schon. Ich hoffe aber, dass unsere neue Klassenlektüre ihnen die Augen öffnet und ihnen klar wird, was sie da tun.«
    »Die Idee mit dem Buch, das war ziemlich genial von dir.«
    Die Spaghetti waren fertig. Er goss sie ab. »Darf ich dich etwas fragen?«
    »Klar«, sagte sie zögernd.
    »Das Containern, machst du das aus Not?«
    »Wir leben von Hartz IV. Das reicht einfach nicht und diese Lebensmittel… Sie sind noch gut und werden weggeworfen. Es gibt massenhaft Leute, die sich freuen würden, sie umsonst zu bekommen.« Es war nicht gelogen. Aber es war auch nur die halbe Wahrheit. Wenn Laura sich kümmern und das Geld nicht hauptsächlich für Alkohol ausgeben würde, dann wäre alles anders. Aber das konnte sie Nils nicht erzählen. Dafür war es noch zu früh.
    Das Essen war fertig. Sie setzten sich an den Tisch, aßen Spaghetti und tranken dazu ein Glas Rotwein. Irgendwann stand Nils auf und machte Musik an. Sandra hatte keine Ahnung, was das war. Klang ziemlich exotisch und jazzig, aber auch ziemlich cool. Saxofon, Gitarre und Schlagzeug. Bald hatten sie die Teller geleert und auch die Gläser. Nils räumte das Geschirr in die Spüle. Sandra betrachtete wieder das Foto aus Lappland. Polarlichter. Die Musik war schön, irgendwie schwebend, wie Nebel über einer Wiese kurz nach Sonnenaufgang. Ein hypnotischer Rhythmus, eine rauchige Männerstimme, die in einer ihr unbekannten Sprache magische Worte sang. Nils trat hinter sie. Sie drehte sich um. Seine Hände legten sich auf ihre Hüften. Kaum merklich begann er zu tanzen, kleine weiche Schwingungen, die sich auf Sandra übertrugen. Während sie tanzten, verlor Sandra jedes Gefühl für Zeit. Es gab nur noch das Jetzt. Es gab nur noch Nils, seine Augen, die sich irgendwann schlossen, so wie ihre, seine Lippen, die so weich waren und ein wenig kühl, seine Hände, die sie zärtlich berührten, den Geruch nach Erde und wilden Gräsern, seine Worte an ihrem Ohr: Ich liebe dich, diese magische Musik, die sie durch die Räume schweben ließ. Kühle Laken, weiche Kissen, ein herber Duft.
    Als sie die Augen wieder öffnete, lag sie neben Nils auf dem Bett. Er beugte sich über sie. Seine Lippen berührten ihre Stirn, die Nasenspitze, das Kinn, zupften am Ohrläppchen, wanderten den Hals entlang und Sandra glaubte, sich aufzulösen. Jede Zelle ihres Körpers schien zu schwingen, als seine Hand sich langsam unter ihren Pulli schob und oberhalb des Bauchnabels liegen blieb.
    Warum? Sie wollte diese Hand spüren, an jedem Quadratzentimeter ihrer Haut, und seine Lippen, überall. Sie wollte in ihm versinken, eins sein mit ihm. Ich liebe dich! Fragend sah er sie an. Wortlos gab sie ihm die Antwort. Ja! Ja! Ja!

30
    Was für ein Scheißtag. Zuerst wäre ihr Sandra beinahe entwischt. Mit dem Rad. Gut, dass im selben Moment der Bus gekommen war und sie sich so bis zu diesem Reihenhaus an ihre Fersen heften konnte. Was machte Sandra da? Das hatte sie nicht rausbekommen. Zu kalt, um ewig herumzustehen. Doch sie hatte dafür gesorgt, dass diese Bitch zu Fuß nach Hause gehen musste.
    Und dann hatte sie Nils die Fotos gemailt. Schließlich sollte er wissen, mit was für einer Nutte er es zu tun hatte. Daheim hielt sie es nicht aus und stellte sich im Schutz der einbrechenden Dunkelheit vor sein Haus. Fünfte Etage, vorne raus. Ein kleiner Balkon, auf dem ein Schneemann stand. Aus Plastik. Aufgepustet. So süß. Lichter hinter den Fenstern. Sie malte sich aus, was er wohl gerade machte. Was sie wohl tun würden, wenn sie jetzt oben bei ihm wäre. Ihr wurde ganz heiß. Und dann wurde das Zimmer dunkel. Zwei Minuten später trat er aus der Eingangstür, ging zum Parkplatz und stieg in sein Auto. Lange blieb er nicht weg. Zwanzig Minuten vielleicht. Ihr Herz klopfte, als der schwarze Mini wieder auf den Stellplatz

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