Scherbenparadies
Gegenteil. Ihr wurde warm. Sie wartete, dass ihre Blicke sich trafen, wie so oft. Diese magischen Momente… When my eyes meet your eyes… Abrupt wandte er sich ab.
Der Schmerz fuhr wie eine scharfe Klinge in ihre Brust. Eine heißkalte Welle durchlief ihren Körper und flaute dann ab. Nils fragte Sami irgendwas, sah dann zu Sandra und ging zur Tafel.
Sandra! Bitch! Du wirst deine dreckigen Finger von ihm lassen. Schon bald. Und wenn nicht… Dann gnade dir Gott.
Der erste Schritt war getan. Sie hatte Sandra informiert. Ich weiß, was du tust. Bitch! Sicher war das der Grund, warum sie nicht mit nach Berlin fuhr. Die SMS hatte sich also schon mal gelohnt.
Wenn rauskommt, was du da mit Nils treibst, fliegst du von der Schule. Ohne Mittlere Reife. Deine ganzen hochnäsigen Träume kannst du dann beerdigen. Und das willst du sicher nicht. Du bist dir wichtiger. Wahre Liebe ist etwas anderes, etwas ganz anderes.
Klar, es wäre die einfachste Lösung, die Schule mit den Fotos zu tapezieren. Sandra outen. Doch dann würden sie auch Nils die Hölle heiß machen. Ganz sicher würden sie ihn zum Sündenbock machen und noch sicherer würde er die Schule verlassen müssen.
Die Deutschstunde ging vorüber. Es folgte eine Stunde Physik. Auch die ging vorbei. Nach Schulschluss ließ sie sich Zeit, lungerte an der Bushaltestelle rum, ließ zwei Busse fahren, beobachtete sein Auto und spielte gedankenverloren mit dem Handy. Ein paar Lehrer kamen, der Parkplatz leerte sich rasch. Dann sah sie Nils. Ein Stück hinter ihm ging Sandra.
So was von dreist!
Er ging zum Parkplatz, blieb neben seinem Auto stehen. Sie folgte ihm.
Der nächste Bus kam. Den nutzte sie als Deckung, um Sandra zu beobachten, und machte die Fotofunktion des Handys bereit. Für alle Fälle. Sandra redete mit Nils, sah sich dann verstohlen um und gab ihm einen raschen Kuss auf den Mund.
Ihre Kiefer pressten sich zusammen, ihre Zähne knirschten. Irgendwie schaffte sie es, ein Foto zu machen. Ihre Hand zitterte, als sie das Handy zurück in die Jackentasche schob. Okay. Okay. Okay. Beruhige dich. Diese Hexe versteht zarte Hinweise ganz offensichtlich nicht. Jetzt wird an der Schraube gedreht, und zwar richtig.
Die Bustür war noch offen. Sie stieg ein und fuhr bis zum Einkaufszentrum. Dort besorgte sie neue Patronen für den Tintenstrahldrucker und ein Paket Inkjet-Papier. Beides war schon ewig alle.
Daheim zog sie alle Daten vom Handy auf den PC, googelte anschließend eine Weile, bis sie fand, was sie suchte, und machte sich dann an die Arbeit.
34
Der Tag ging schnell vorüber. Die Mobbingattacken ließen nach. Gehässige Bemerkungen und Getuschel. Das war alles. Ob die Klassenlektüre der Grund dafür war oder ob die anderen sich ganz einfach ausgetobt hatten, wusste Sandra nicht. Es kümmerte sie auch nicht. Hauptsache, man ließ sie in Ruhe. Dennoch konnte sie das Gefühl noch immer nicht abschütteln, dass das dicke Ende erst noch kommen würde. Etwas lag in der Luft. Sie konnte es spüren.
Am Abend hatte Nils keine Zeit für sie. Sein Vater feierte Geburtstag, da konnte er nicht fehlen. Sie schickten sich etliche SMS und verabredeten sich für den Samstag. Die ersten Weihnachtsmärkte öffneten und Nils schlug vor, den in Haidhausen zu besuchen.
Als Sandra Vanessa am nächsten Tag um kurz vor drei zu Ayshe bringen wollte, erfuhr sie, dass Ayshes Schwester sich einen Magen-Darm-Virus eingefangen hatte. Der war ansteckend und natürlich wollte Sandra nicht, dass ihre kleine Schwester krank wurde.
Es gab nur zwei Möglichkeiten. Sie blieb allein daheim oder Sandra nahm sie mit. Für die Entscheidung benötigte sie nicht einmal eine Zehntelsekunde. Natürlich würde sie Vanessa mitnehmen.
Vielleicht war es ja ganz gut so. Falls jemand aus der Schule sie und Nils zusammen sah und sie ihre kleine Schwester dabeihatte, dann sah das eher nach Zufall aus.
Vanessa fragte neugierig, wo sie denn hingingen, als Sandra ihr half, Jacke, Schal und Mütze anzuziehen. »Ich stelle dir meinen Freund vor. Den Nils, und dann fahren wir zum Weihnachtsmarkt an den Weißenburger Platz.«
»Ui! Toll! Krieg ich auch Zuckerwatte?«
Von Lauras Geld war nicht mehr viel übrig. Und es dauerte sicher wieder Wochen, bis Laura bei ihnen auftauchte und Geld daließ. Sandra musste also wieder containern. So gesehen konnte sie Vanessa auch Zuckerwatte kaufen. »Na klar, eine ganz große Wolke Zuckerwatte.«
Zu Fuß machten sie sich auf den Weg zu Nils. Der Himmel war blau,
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